Gastbeitrag

Europa setzt neue Maßstäbe bei grünen Anleihen

Jochen Seitz
Jochen Seitz © Hogan Lovells

_ Trotz der Pandemie und den damit verbundenen Unsicherheiten hat das Marktvolumen von grünen Anleihen in 2020 weltweit einen neuen Rekordwert erreicht. Es wird erwartet, dass dieser Wert in 2021 noch einmal übertroffen wird. Das steigende Emissionsvolumen sowie auch die erste Emission einer grünen Bundesanleihe durch die Bundesrepublik Deutschland im September 2020 sind Beleg dafür, dass sich grüne Anleihen mittlerweile als Refinanzierungsinstrumente etabliert haben (s.a. PLATOW Recht v. 25.11.).

Gleichzeitig hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gewisse Standards und Regeln erforderlich sind, um sicherzustellen, dass es sich bei den Anleihen tatsächlich um grüne Finanzprodukte handelt. Anleger müssen darauf vertrauen können, dass mit den Erlösen aus den Anleihen tatsächlich ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten finanziert werden und kein „greenwashing“ betrieben wird.

Wichtige Vorarbeiten hat diesbezüglich die International Capital Market Association (ICMA) mit ihren „Green Bond Principles“ (GBP) geleistet, die im Juni 2018 zuletzt aktualisiert wurden. Die GBPs dienen als Grundlage für die Emissionen der meisten grünen Anleihen weltweit und enthalten Empfehlungen für die Verwendung der Emissionserlöse, für den Prozess der Projektbewertung und -auswahl, des Managements der Erlöse, inklusive der Begleitung der Mittelverwendung durch einen Wirtschaftsprüfer oder andere Dritte, sowie Berichtspflichten.

Das Thema grüne Anleihen hat mittlerweile aber auch den europäischen Gesetzgeber auf den Plan gerufen. Die EU-Kommission hat im März 2018 einen Aktionsplan zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums veröffentlicht, der eine umfassende Strategie zur weiteren Verknüpfung des Finanzsektors mit Nachhaltigkeit vorsieht. Teil dieses Aktionsplans ist auch die Erarbeitung eines EU Green Bond Standard.

Einheitlicher Standard als Wettbewerbsvorteil

Ziel des EU Green Bond Standard ist es, ein harmonisiertes EU-Label für grüne Anleihen zu schaffen und Europa als weltweit führenden Markt für grüne Anleihen zu positionieren. Ein Vorschlag für den EU Green Bond Standard wurde von der technischen Expertengruppe für nachhaltige Finanzierungen (Technical Expert Group, TEG) bereits im Juni 2019 vorgestellt. Die TEG schlägt vor, dass die EU-Kommission einen freiwilligen Standard für grüne Anleihen schafft, um die Effektivität, Transparenz, Rechenschaftspflicht, Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit des Marktes für grüne Anleihen zu verbessern. Basierend auf diesem Vorschlag hatte die Kommission eine Konsultation gestartet, die am 2.10.20 endete. Die Antworten zu der Konsultation dürften mittlerweile ausgewertet sein und es wird erwartet, dass die Kommission ihre Entscheidung zum EU Green Bond Standard demnächst verkündet.

Zentraler Bestandteil des EU Green Bond Standard soll nach dem Vorschlag der TEG die Kopplung der Verwendung der Emissionserlöse an die EU Taxonomie-Verordnung sein. Die Taxonomie-Verordnung trat im Juli 2020 in Kraft und legt Kriterien in Bezug auf die Einordnung einer Wirtschaftsaktivität als ökologisch nachhaltig fest. Dazu muss u. a. ein Beitrag zu in der Taxonomie-Verordnung definierten Umweltzielen geleistet werden. Neben dem Klimaschutz, der Anpassung an den Klimawandel oder der nachhaltigen Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen gehört dazu u. a. auch die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung. Die Anforderungen an einen Beitrag zu den jeweiligen Umweltzielen werden im Einzelnen in sogenannten technischen Bewertungskriterien festgelegt, die in delegierten Rechtsakten der Kommission enthalten sind. Bislang liegen dafür lediglich Entwürfe für einzelne Umweltziele vor.

Weiterhin ist unter dem EU Green Bond Standard die Erstellung eines Green Bond Frameworks erforderlich. Der TEG-Bericht enthält dafür bereits eine Vorlage, es muss u. a. detailliert beschrieben werden, welcher Beitrag zu den Umweltzielen der Taxonomie-Verordnung geleistet wird. Um die Einhaltung der Vorgaben des Green Bond Frameworks zu gewährleisten, müssen die Emissionen von grünen Anleihen weiterhin durch akkreditierte, externe Prüfer verifiziert werden. Die Verifizierung ist ein zweistufiger Prozess, der aus einer Verifizierung vor der Emission und aus einer Verifizierung nach der Emission besteht. Zuletzt sieht der EU Green Bond Standard auch eine jährliche Berichtspflicht des Emittenten vor.

Nach aktuellem Stand ist vorgesehen, dass die Verwendung der Erlöse entsprechend des jeweiligen Green Bond Frameworks in den Wertpapierprospekt aufgenommen wird. Angedacht ist zudem, dass weitere Anforderungen an die Offenlegung nachhaltigkeitsbezogener Informationen in Prospekten zukünftig vorgeschrieben werden. Jedenfalls finden sich entsprechende Anhaltspunkte in der jüngst veröffentlichten Verordnung 2021/337 zur Änderung der Prospektverordnung.

EU legt Messlatte deutlich höher

Als Fazit kann man festhalten, dass der EU Green Bond Standard nach den Vorschlägen der TEG deutlich über die ICMA Green Bond Principles hinausgeht. Die Vorgaben sind deutlich detaillierter. Zwar ist die Anwendung freiwillig, aber dadurch, dass im Wertpapierprospekt auf die Verwendung der Erlöse hingewiesen wird und gegebenenfalls künftig noch weitere Angaben im Prospekt erforderlich sind, entsteht eine zivilrechtliche Bindungswirkung für die Emittenten. Damit wird ein guter Ausgleich zwischen dem Anlegerschutz und der Unterbindung von „greenwashing“ einerseits und dem Erfordernis einer gewissen Flexibilität von Emittenten andererseits geschaffen. Mit Spannung bleibt abzuwarten, wie die finale Entscheidung der Kommission zum EU Green Bond Standard aussieht. In Kürze werden wir hoffentlich mehr wissen.

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