ICOs – Regulierung und Haftung lassen Fragen offen

Schätzungen zufolge konnten Start-ups 2017 Investitionen von mehr als 3 Mrd. Euro durch so genannte Initial Coin Offerings (ICOs) einwerben. Das ICO genießt als neues Finanzierungsmodell den Ruf, unkompliziert und zu attraktiven Bedingungen unternehmerische Vorhaben finanzieren zu können. Doch aus rechtlicher und regulatorischer Sicht ist noch vieles ungeklärt, wissen Matthias von Oppen und Ian M. Maywald, Anwälte bei Ashurst.

Das Initial Coin Offering („ICO“) ist eine relativ neue Finanzierungsform, insbesondere für Technologie-Start-ups. In gleicher Weise können aber auch bereits etablierte Unternehmen ein ICO zur Finanzierung nutzen. Dazu werden digitale Münzen („Token“) an Investoren im Wege eines Crowdfunding bzw. Crowdinvesting gegen Bezahlung in einer etablierten Kryptowährung (z. B. Bitcoin) oder einer Fiat-Währung (z. B. US-Dollar oder Euro) ausgegeben. Token können dabei als reines Zahlungsmittel dienen, den Zugang zu einer bestimmten Plattform gewähren, einen Anspruch auf eine zukünftige Leistung begründen oder auch gesellschafterähnliche Rechte wie Mitbestimmungsrechte oder Dividendenrechte aufweisen.

Unterschiedliche Modelle
Die unterschiedliche Ausgestaltung hat zur Folge, dass sich die regulatorischen Anforderungen stark unterscheiden können. Das ist sicherlich auch ein wesentlicher Grund dafür, dass sich die relevanten Aufsichtsbehörden bislang nur sehr allgemein zur rechtlichen Einordnung von ICOs geäußert haben.

Token, die als Zahlungsmittel fungieren, sind nach Ansicht der BaFin Rechnungseinheiten nach dem Kreditwesengesetz (KWG), wodurch bestimmte Tätigkeiten wie der An- und Verkauf als Finanzkommissionsgeschäft erlaubnispflichtig sind. Darüber hinaus hat sich die BaFin bisher nicht konkret zu Token geäußert, die über die Funktion als Zahlungsmittel hinausgehende Merkmale wie beispielsweise gesellschafterähnliche Rechte aufweisen. In diesen Fällen muss sorgfältig geprüft werden, ob die Token als Wertpapiere oder Vermögensanlagen qualifizieren und somit ein Angebot nur auf Basis eines gebilligten Wertpapierprospekts nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) oder eines Verkaufsprospekts nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) möglich ist.

Soll mittels der Token nach dem Vorbild eines Investmentfonds Kapital zur gemeinsamen Anlage aufgenommen werden, unterliegen die Token den Bestimmungen des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB). Neben nationalen Bestimmungen können auch europäische Vorgaben auf ICOs anwendbar sein, wie beispielsweise die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) oder die Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (4. Geldwäsche-Richtlinie).

Haftung
Zur Vermarktung eines ICOs wird regelmäßig ein so genanntes white paper erstellt, das wesentliche Informationen zum ICO enthält. Auch wenn ein ICO nicht in den Anwendungsbereich spezialgesetzlicher Prospektvorschriften fällt, kann das white paper als Angebotsdokument dennoch erhebliche Haftungsrelevanz entfachen.

Einerseits ist eine Haftung der ICO-Verantwortlichen im Rahmen der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung möglich. Dieser vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgestellte Prospektbegriff ist verhältnismäßig weit und umfasst jede marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthält oder den Anschein erweckt, erhebliche Angaben zu enthalten und dabei tatsächlich oder zumindest dem Eindruck nach den Anspruch erhebt, eine die potenziellen Investoren umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein. Demzufolge können ein white paper und ggf. damit in Zusammenhang stehende weitere Informationen wie Investitionsvereinbarungen, Inhalte der Internetseite oder allgemeine Werbematerialien einzeln oder in ihrer Gesamtheit als Prospekt in diesem Sinne gelten und damit im Falle eines Mangels als Haftungsgrundlage herangezogen werden. Ein Prospekt ist grundsätzlich dann mangelhaft, wenn nicht über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind, sachlich richtig und vollständig informiert wurde.

Andererseits können Vorstände oder Geschäftsführer des ICO-Emittenten persönlich haftbar sein. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt eine persönliche Haftung der Organe einer kapitalsuchenden Gesellschaft nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss in Betracht, wenn diese persönlich über die für eine Anlageentscheidung wesentlichen Umstände informieren und dabei in besonderer Weise persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen. Die Inanspruchnahmen besonderen persönlichen Vertrauens kann sich z. B. darin begründen, dass das Organ seine persönliche Sachkunde und Zuverlässigkeit in besonderer Weise betont.

Auf Grund der im Einzelfall noch unklaren regulatorischen Voraussetzungen für die Durchführung eines ICOs empfiehlt sich allgemein eine gründliche rechtliche Prüfung sowie eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit der zuständigen Regulierungsbehörde vor Beginn des Prozesses und die Einhaltung allgemeiner Grundsätze guter Unternehmensführung und transparenter Kommunikation mit Investoren. Dazu sollten ICO-Emittenten Good-Practice-Leitlinien heranziehen, welche die oben genannten Aspekte ausführlich behandeln.

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