Revolutionäres Projekt mit rechtlichen Fallstricken
Digitaler Euro _ Im Frühjahr 2021 will die Europäische Zentralbank (EZB) eine Entscheidung über die Fortführung eines ihrer ambitioniertesten Projekte treffen: die Einführung eines Digitalen Euros. Ein solcher Digitaler Euro hat das Potenzial für eine nachhaltige Veränderung der Finanzwelt. Dass der Digitale Euro kommt, gilt in Branchenkreisen als sicher. Hierfür sprechen nicht zuletzt entsprechende Rückmeldungen aus dem Umfeld der EZB. Vor einer Einführung gilt es jedoch, noch einige rechtliche Fragen zu klären, meint Jörn Heckmann, Counsel bei CMS Deutschland.
Nach den Plänen der EZ B soll es sich beim Digitalen Euro um eine digitale Zentralbankwährung (central bank digital currency, kurz: CBDC) handeln, welche denselben Wert wie alle anderen Formen von Zentralbankgeld besitzt. Emittent des Digitalen Euro wäre die EZB. Sie hat es dann in der Hand, die Anzahl der emittierten Digitalen Euros zur Steuerung geldpolitischer Ziele einzusetzen. Es würde also keinen Unterschied machen, ob man den Euro in Hartgeld oder einen Digitalen Euro ausgibt – beide hätten den gleichen Wert und wären als gesetzliche Zahlungsmittel anerkannt. Der Weg zu einer CBDC setzt allerdings vorherige gesetzgeberische Aktivitäten voraus. So sind im Euroraum bislang nur auf Euro lautende Banknoten und Münzen als unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel anerkannt. Andere Währungen können zwar auch angenommen werden – eine Verpflichtung hierzu besteht aber nicht. Die Einführung eines Digitalen Euros, welcher gerade nicht in einer Banknote oder einer Münze verkörpert wird, würde daher eine Anpassung der entsprechenden Gesetze und Verordnungen, wie der Euro-Einführungsverordnung (EuroEinfVO), voraussetzen.
Unterschiede zu herkömmlichen Kryptowährungen
Durch die Anerkennung als gesetzliches Zahlungsmittel würde sich der Digitale Euro signifikant von anderen Kryptowährungen unterscheiden. Diese werden nicht zentral emittiert. Derartige Kryptowährungen werden dezentral im Wege des sogenannten Mining durch die Nutzer entsprechender Währungen „ausgegeben“. Die Gesamtanzahl der ausgegebenen Coins wird regelmäßig programmtechnisch beschränkt, z. B. liegt die maximale Anzahl von Bitcoins bei 21 Mio. Als geldpolitisches Steuerungsmittel sind solche Kryptowährungen daher wenig geeignet. Und noch in einem weiteren Punkt soll sich der Digitale Euro von herkömmlichen Kryptowährungen unterscheiden: der Rolle von Finanzintermediären. So sehen die Pläne der EZB vor, dass Finanzdienstleister beim Digitalen Euro eine zentrale Rolle, beispielsweise als Gatekeeper oder Clearing- und Settlement-Institutionen, einnehmen sollen.
Digitaler Euro – Wegbereiter zum gläsernen Bürger?
Anders als Bargeldtransaktionen sind Transaktionen mittels digitaler Währungen einfach nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere, wenn die technologische Ausgestaltung der Digitalwährung mit sich bringt, dass die Transaktionshistorie öffentlich einsehbar ist. Dies ist beispielsweise beim Einsatz der Blockchain-Technologie der Fall. Der Einsatz digitaler Währungen steht damit in einem Zielkonflikt zum Wunsch vieler Bürger nach einem anonymen Zahlungsmittel. Die bisherigen Stellungnahmen der EZB lassen darauf schließen, dass sie sich des Akzeptanzproblems durchaus bewusst ist. Hierfür sprechen nicht zuletzt die Ausführungen im „Report on a digital euro“. Darin wird erwägt, dass Transaktionen in Abhängigkeit von ihrem Transaktionstyp – beispielsweise dem alltäglichen Einkauf – gegenüber staatlichen Stellen anonym beziehungsweise pseudonym erfolgen können. Für andere Transaktionstypen („large-value-transactions“) würden weiterhin Identifizierungspflichten gelten. Mit einer entsprechenden technischen Ausgestaltung wäre der Digitale Euro in Bezug auf die Geldwäscheprävention dem „normalen“ Euro weitestgehend gleichgestellt.
Die technische Umsetzung des Digitalen Euros
Die technische Realisierung des Digitalen Euros ist noch weitestgehend offen. Dennoch wird erwartet, dass der Digitale Euro mittels Blockchain beziehungsweise Distributed Ledger Technology (DLT) eine technische Realisierung erfährt. Andere Länder, wie z. B. China, sind diesen Weg bereits gegangen. Die Nutzung dieser Technologien würde eine Reihe von Vorteilen bringen, welche andere technische Realisationen nur mit erheblichem Aufwand erreichen könnten. Dies zeigt sich insbesondere an dem vielfach diskutierten Einsatzszenario in der Industrie 4.0, in welchem der Digitale Euro sein volles Potenzial entfalten soll. Geplant ist, dass Maschinen untereinander mittels sogenannter „machineto-machine-communication (M2)“ Leistungsbeziehungen auf Basis ihrer Programmierung weitestgehend autonom abwickeln. Damit wäre beispielsweise möglich, dass eine Produktionsmaschine mit einem eigenen Budget ausgestattet wird. Dieses ermöglicht es ihr, Verbrauchsmaterialien automatisiert nachzukaufen und ohne weitere menschliche Eingriffe auch zu bezahlen. Zwar können mit dem Einsatz entsprechender Smart Contracts rechtlich relevante Handlungen, insbesondere ein tatsächlicher Leistungsaustausch, in Abhängigkeit von digital prüfbaren Ereignissen gesteuert werden. Jedoch erwachsen dadurch neue rechtliche Risiken und Haftungsfragen. Diese werden nicht spurlos an der Gesetzgebung vorbeigehen.
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