Briten verfolgen Steuersünder jetzt weltweit

Das neue britische Unternehmenssteuerstrafrecht kann sich auch auf deutsche Unternehmen auswirken, die einen Bezug zu Großbritannien haben. Die Krux: Es spielt überhaupt keine Rolle, ob eine Firma in diesem Land ansässig ist, ob es sich bei etwaigen verkürzten Steuern um dort geschuldete Abgaben handelt oder ob die handelnden Personen Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens sind. Und die möglichen Sanktionen sind drastisch: Es drohen Geldstrafen in grundsätzlich unbegrenzter Höhe. Zudem können Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen sowie mit besonderen Auflagen beschwert werden. Wie sich Betriebe absichern können, erläutert Sven Christian Gläser, Rechtsanwalt und Steuerberater bei Ebner Stolz in Stuttgart.

Auf Basis des so genannten Criminal Finances Act (CCO) können seit 30.9.17 juristische Personen und Personenvereinigungen (Kapital- und Personengesellschaften) sanktioniert werden. Die Regelungen richten sich hingegen nicht gegen natürliche Personen. Voraussetzung ist zunächst eine Steuerverkürzung zu Gunsten einer – gegebenenfalls dritten – Person. Diese Steuerverkürzung muss durch eine mit dem betreffenden Unternehmen assoziierte natürliche oder juristische Person zumindest bedingt vorsätzlich begangen oder versucht worden sein. Es genügt auch, dass hierzu angestiftet wurde oder Unterstützungs- und Förderungshandlungen (Beihilfe) geleistet wurden. In Frage kommen dabei nicht nur Mitarbeiter des Unternehmens, seiner Betriebsstätten und Tochtergesellschaften. Im Visier der Steuerfahnder stehen laut CCO auch externe Personen, soweit diese für das Unternehmen oder in seinem Namen tätig werden. Das sind beispielsweise Subunternehmer, Lieferanten, Lohnfertiger, Kreditinstitute, selbstständige Handelsvertreter oder Berater.

Werden britische Steuern bzw. nationale Sozialversicherungsabgaben verkürzt, spielt es keine Rolle, ob das betreffende Unternehmen Sitz oder Betriebsstätte in Großbritannien hat. Auch kommt es nicht darauf an, von wo aus die Steuerverkürzung oder eine entsprechende Anstiftungs- oder Beihilfehandlung begangen wurde.

Der CCO ist aber räumlich und sachlich nicht auf Großbritannien beschränkt. Wurden Steuern in anderen Ländern außerhalb Großbritanniens verkürzt, erfolgt eine Sanktionierung nach dem CCO, wenn das betreffende Unternehmen als rechtliche Einheit einen näher definierten Bezug zu Großbritannien („UK Nexus““) aufweist. Dieser liegt vor, wenn das Unternehmen nach britischem Recht gegründet wurde oder wenn es geschäftliche Aktivitäten in Großbritannien entfaltet. Eine Betriebsstätte im Land ist dazu nicht erforderlich. Schließlich ist ein „UK Nexus““ auch dann gegeben, wenn ein Tatbeitrag zu der Steuerverkürzung auf der Insel erbracht wird. Weitere Voraussetzung ist, dass die Steuerverkürzung und die konkrete Tathandlung im betreffenden ausländischen Staat und in Großbritannien strafbar wären.

Risikobereiche

Risikobehaftet sind Fälle, in denen der für einen möglichen Vorwurf nach dem CCO erforderliche „UK Nexus““ nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Das gilt etwa dann, wenn das Unternehmen über eine Betriebsstätte in Großbritannien verfügt oder dort in sonstiger Weise als rechtliche Einheit selbst geschäftliche Aktivitäten entfaltet, die Handlungen der assoziierten Person ebenso wie die eigentliche Steuerverkürzung aber im Ausland stattfinden.

Kritisch sind auch Fälle, in denen Unternehmen Leistungen durch einen Subunternehmer erbringen oder bei der Erbringung ihrer Leistung Dritte in Anspruch nehmen.

Tax-Compliance-System hilft

Der Vorwurf nach dem CCO richtet sich auf das Versäumnis, eine Steuerhinterziehung nicht verhindert zu haben. Diesen Vorwurf können Unternehmen ab sofort nur entkräften, wenn sie angemessene Präventionsmaßnahmen nachweisen. Anerkannt sind Maßnahmen, die geeignet sind, die Förderung oder Unterstützung einer Steuerverkürzung durch eine assoziierte Person zu verhindern. Welche Vorkehrungen als angemessen berücksichtigt werden, hat die britische Finanzverwaltung HMRC in der „Government guidance for the corporate offences of failure to prevent the criminal facilitation of tax evasion““ mit ihren sechs Leitprinzipien näher konkretisiert.

Diese Prinzipien sind mit den sieben Grundelementen eines Compliance Management Systems nach IDW PS 980 vergleichbar. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass die ordnungsgemäße Umsetzung der CCO-Präventionsmaßnahmen eine Enthaftung bewirkt. Werden keine solchen Maßnahmen ergriffen, wirkt sich das sogar tatbestandsbegründend aus. Denn der CCO soll Fällen entgegenwirken, in denen sich die Unternehmensleitung über Abläufe im Betrieb nicht informiert, um das Unternehmen vor Strafe zu schützen.

Demgegenüber kommt dem Tax Compliance Management System nach deutschem Recht bei der Prüfung eines Steuerhinterziehungsvorwurfs lediglich indizielle Bedeutung zu.  Fehlen entsprechende Präventionsmaßnahmen im Unternehmen, kommt eine Enthaftung nach dem CCO ausnahmsweise dann in Betracht, wenn entsprechende Maßnahmen als unverhältnismäßig anzusehen wären. In der Praxis dürfte dies  vor allem bei Kleinunternehmen der Fall sein.

 

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