Datenschutz gilt auch für den Betrieb

Wenn der Gesetzgeber für Unternehmen neue Offenlegungspflichten beschließt, findet dies in der Öffentlichkeit oft reflexartig Beifall. Nach der breiten Debatte über die Steuermoral von Großkonzernen und Enthüllungen über Briefkastenfirmen in Steueroasen sind zusätzliche Transparenzpflichten eingeführt worden und mit immer weiteren Publizitätsvorschriften ist die EU dabei, das „gläserne Unternehmen“ zu schaffen. Doch mit der Pflicht zur maximalen Offenlegung von Daten schießt die EU weit über das Ziel hinaus, meint Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen.

Die EU-Kommission ist stolz, dass Europa hohe Datenschutzstandards kennt. Doch für Familienunternehmen sollen diese Rechte nicht gelten, vielmehr wird für sie der Datenschutz in unzulässiger Weise ausgehöhlt. Zur Bekämpfung von Geld-wäsche und Terrorfinanzierung beschloss die EU 2017 die Einführung des Transparenzregisters. Dabei handelt es sich um ein zentrales elektronisches Register mit Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen, Stiftungen und Trusts. Wirtschaftlich Berechtigter ist jeder, der eine Beteiligung von mehr als 25% hält. Bisher haben nur Behörden Zugriff auf das Register. Außerdem können es auch Journalisten und NGOs einsehen, wenn sie ihren Auskunftsanspruch begründen. Sie erhalten Zugang zum Namen des Gesellschafters, Geburtsdaten, dem Wohnsitzland sowie Art und Umfang der wirtschaftlichen Aktivitäten. Obwohl der Gesetzgeber bisher nur wenig Erfahrung mit dem Transparenzregister gesammelt hat, ist die Erweiterung bereits beschlossene Sache: Von 2020 an sollen diese Angaben für jedermann sichtbar werden.

Dabei handelt es sich um einen Eingriff in die Privatsphäre von Gesellschaftern, zumal diese Informationen mit anderen Angaben aus Offenlegungspflichten verknüpft werden können. Wenn sich die EU durchsetzt, wird es bald ein Leichtes, die Einkommens- und Vermögenssituation von Gesellschaftern zu taxieren. Denn EU-Kommission und EU-Parlament wollen zusätzlich auch das öffentliche Country-by-Country Reporting vorschreiben, das größere Familienunternehmen dazu zwingt, interne Unternehmensdaten wie Gewinne und Steuern, nach Ländern aufgeschlüsselt, zu publizieren. Dagegen sperrt sich die Bundesregierung aus gutem Grund: Mit der schrankenlosen Publizität müssten Familienunternehmen in Zukunft strategisch bedeutsame Daten preisgeben.

Studie stellt EU-Plänen schlechtes Zeugnis aus

Wie der Eingriff in Unternehmen und Privatsphäre der Gesellschafter zu bewerten ist, ist jetzt wissenschaftlich untersucht worden. Das Ergebnis: Datenschutzrechtliche Standards auf unternehmerischer Ebene bleiben auf der Strecke. Zu diesem Schluss kommt die Studie von Ralf P. Schenke und Christoph Teichmann, Jura-Professoren an der Universität Würzburg, im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. Sie stellen zudem fest, dass das Steuergeheimnis aufgeweicht wird, wenn sich die EU-Kommission mit ihren Plänen durchsetzt. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass sowohl das verschärfte Transparenzregister als auch die Pläne für das öffentliche Country-by-Country Reporting einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof nicht standhalten würden.

Ein weiterer Aspekt ist der fragwürdige Umgang der EU-Kommission mit dem Steuergeheimnis. Geht es nach den Plänen Brüssels, soll mit dem mehr als 150 Jahre alten deutschen Steuergeheimnis gebrochen werden. Einige NGOs und Parteien drängen seit Langem darauf, dass Unternehmen ihre Steuern veröffentlichen. Dazu stellen die Wissenschaftler fest: „Der Begriff Steuerpublizität ist in Deutschland nahezu unbekannt.“ Sie geben zu bedenken, dass das Steuergeheimnis auch im Sinne der Finanzverwaltung liegt. Damit werden Steuerverfahren erleichtert, was das vorrangige Interesse des Gesetzgebers darstellt.

Auch industriepolitisch geht der Vorstoß in die falsche Richtung. Die Offenlegungsvorschriften ermöglichen den Wettbewerbern europäischer Firmen einen tiefen Einblick in die Ertragslage ihrer Konkurrenten. Es entbehrt nicht der Ironie, dass Unternehmen aus Drittstaaten die in der EU geltenden Transparenzpflichten nicht einmal ansatzweise erfüllen. Damit schafft Europa Nachteile im Wettbewerb.

Unternehmen unter Generalverdacht

Nicht außer Acht gelassen werden sollten auch die Risiken, die sich für Gesellschafter ergeben, wenn Rückschlüsse auf ihre Vermögensverhältnisse möglich sind. Nicht ohne Grund schützen viele Familienunternehmer ihren privaten Bereich und halten ihren Wohnort geheim. Mit Hilfe der öffentlich zugänglichen Daten wäre das kaum noch möglich. Dies geschieht unter dem Vorwand, Geldwäschedelikten und Terrorfinanzierung vorzubeugen. Warum Familienunternehmen mit diesen Delikten in Verbindung gebracht werden, bleibt das Geheimnis des Gesetzgebers. Wieder einmal werden rechtschaffene Unternehmer unter Generalverdacht gestellt. Dabei sollte doch das Gebot der Verhältnismäßigkeit gelten.

Mit dem Ruf aus Politik und Öffentlichkeit nach immer mehr Transparenz wird oft der Eindruck erweckt, die Familienunternehmen hätten etwas zu verbergen. Das ist nicht der Fall. Die Familienunternehmen halten es aber für ausreichend, dass die zuständigen Behörden das Transparenzregister einsehen und die Steuerdaten auf gesetzlicher Grundlage austauschen. In der Öffentlichkeit haben interne Daten von Unternehmen und Gesellschaftern dagegen nichts zu suchen.

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