Grunderwerbsteuerreform – Börsennotierter Mittelstand im Nachteil?
Die anstehende Reform der Grunderwerbsteuer schlägt hohe Wellen. Was für den Gesetzgeber vor allem das Schließen von Steuerschlupflöchern bringen soll, lässt Unternehmen eine erhöhte Steuerbelastung befürchten. Entsprechend eindringlich ist der Ruf nach Nachbesserungen.
Auch der Interessenverband kapitalmarktorientierter KMU, der sich für die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen mit Kapitalmarktambitionen einsetzt, schlägt Alarm. „Das geplante Gesetz stellt den börsennotierten Mittelstand in Deutschland in Frage,“ warnt Ingo Wegerich, Präsident des Interessenverbandes und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. „Es handelt sich um einen klassischen Gesetzesfehler – wohl eher unbeabsichtigt als tatsächlich gewollt.“ Während überall in Europa die Initiative der Kapitalmarktunion gepredigt werde und die Kapitalmarktfinanzierung von Mittelständlern erleichtert werden solle, werde in Deutschland wohl der börsennotierte Mittelstand durch nicht nachvollziehbare Steuergesetze zusätzlich zur Kasse gebeten, so Wegerich weiter. „Dies führt zu einer starken Benachteiligung gegenüber Großunternehmen und dem Mittelstand im Ausland.“
Eigentliches Ziel des geplanten Gesetzes ist die Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen in der Grunderwerbsteuer. Gegenwärtig sind Veräußerungen von inländischen Immobilienbeteiligungen steuerfrei, solange nicht mindestens 95% der Anteile innerhalb von fünf Jahren übertragen werden. Das geplante Änderungsgesetz sieht nunmehr eine Absenkung der Schwelle auf 90% und eine Verlängerung der Frist auf 10 Jahre vor. Darüber hinaus sollen zukünftig aber auch Anteilseignerwechsel an Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz erfasst werden. „Besteuert wird die Gesellschaft, die wegen des Anteilseignerwechsels grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr als dieselbe Kapitalgesellschaft anzusehen ist“, so die Gesetzesbegründung. „Die Aktiengesellschaften im Streubesitz befürchten nun, künftig regelmäßig Grunderwerbssteuer zahlen zu müssen, nur weil ihre Aktien an der Börse umgeschlagen werden“, erläutert Wegerich. Auf Grund allein der Börsenumsätze in 2018 müssten danach eine Vielzahl von DAX-Unternehmen Grunderwerbsteuer auf ihren gesamten inländischen Immobilienbesitz zahlen. Der Bundesrat schlägt nun vor, Kapitalgesellschaften, die an einem organisierten Markt zugelassen sind, auszunehmen. „Danach würde die Regelung allein die im Freiverkehr gelisteten börsennotierten Mittelstandsunternehmen treffen und benachteiligen“, befürchtet der Kapitalmarktrechtler.
Der Interessenverband hält somit Nachbesserungen an dem neuen Gesetz, das bereits zum Jahreswechsel in Kraft treten soll, für dringend erforderlich und präsentiert seinen Forderungskatalog gleich mit: So müsse die Missbrauchsnorm auf den Zweck der Anteilsübertragung abstellen. Der Zweck des Kaufes börsennotierter Aktien erfolge nicht missbräuchlich zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer, sondern sei auf das Erzielen langfristiger Erträge aus Dividenden und Kurssteigerungen ausgerichtet, die insbesondere für die Altersvorsorge genutzt werden. Zum anderen sei die Identifikation der Personen im Aktienbesitz auf Grund der Besonderheiten des Börsenhandels nicht möglich. Somit bleibe allein ein Abstellen auf den Handelsumsatz, was aber aus Sicht des Interessenverbandes nicht sachgerecht sei. Schließlich müssten börsennotierte Unternehmen (auch im Freiverkehr) grundsätzlich ausgenommen werden. „Auch Freiverkehrsemittenten unterliegen wie Emittenten eines organisierten Marktes den Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung – Marktmissbrauch in Form von Insidergeschäften und Marktmanipulation wird verhindert“, argumentiert Wegerich. „Eine Differenzierung nach Marktsegmenten ist insoweit nicht sachgerecht und benachteiligt den börsennotierten Mittelstand.“
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