Drei Jahre ESUG: Erfahrungen eines Praktikers

"Nach einer anfänglichen Euphorie nach Einführung des ESUG ist inzwischen eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Denn auch die neuen Regelungen sind kein Allheilmittel und haben bisher nur in wenigen Fällen zu einer frühzeitigen Anwendung geführt. Fast alle Branchenkenner gehen davon aus, dass eine Sanierung über die Eigenverwaltung oder den Schutzschirm in aller Regel erst dann in Betracht gezogen wird, wenn andere außergerichtliche Sanierungsmöglichkeiten fehlgeschlagen sind."

Der seit ESUG an sich attraktive „Werkzeugkasten““ der Insolvenzinstrumentarien wird nach wie vor von dem negativen Image einer Insolvenz überlagert. Daran haben auch die Begriffe Schutzschirm oder Eigenverwaltung bislang nicht viel geändert. Zu groß ist offensichtlich immer noch die Furcht vor dem Makel, der mit einer Insolvenz verbunden ist. Anders als in anderen Ländern ist das unternehmerische Scheitern in Deutschland immer noch mit zu vielen Nachteilen belastet.

Wichtiger Schritt zu einer neuen Sanierungskultur

Mit der Schaffung des Schutzschirms und der Eigenverwaltung geht der Gesetzgeber aber einen wichtigen Schritt hin zu einer neuen Sanierungskultur. Bis diese in den Köpfen der verantwortlichen Manager angekommen ist, werden aber wohl noch viele Jahre vergehen. In der Außenwirkung kann man nach drei Jahren aber feststellen, dass Lieferanten und Kunden zwar immer noch unsicher im Umgang mit den neuen Verfahrensarten sind, diese aber durchaus als Sanierungsmöglichkeiten wahrnehmen. Die Erfahrung zeigt, dass sie in aller Regel bereit sind, solche Verfahren positiv zu begleiten. Die Einleitung eines Regelverfahrens wird hier inzwischen oftmals schon als Zeichen dafür gesehen, dass eine Sanierung des Unternehmens nicht möglich ist – unabhängig davon, ob dies auch stimmt. Insoweit sind die neuen Optionen in der öffentlichen Wahrnehmung bereits gut angekommen.

Zudem wollte der Gesetzgeber dem Wunsch nach mehr Gläubigerautonomie folgen. Daher hat er es in der Insolvenzordnung so geregelt, dass bei Unternehmen, die bestimmte Größenkriterien erfüllen, ein vorläufiger Gläubigerausschuss einzurichten ist, der über die Auswahl des Verwalters bestimmen kann. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass viele Insolvenzgerichte anfänglich versucht haben, diese Regelung auszuhebeln, um die vormals allein ihnen obliegende Auswahl des Insolvenzverwalters auch weiterhin selbst vorzunehmen. Hier hat sich im Verlauf der vergangenen Jahre ein Wandel vollzogen. Nach drei Jahren ist aber auch erkennbar, dass viele so genannte „Profi-Gläubiger““ nicht mehr bereit sind, in Gläubigerausschüssen mitzuwirken und andere Gläubigerausschussmitglieder oftmals überfordert sind, weil sie die insolvenzrechtlichen Anforderungen nicht kennen und damit ihre Überwachungsrolle in dem Verfahren nicht korrekt wahrnehmen können. Der Grund der häufigen Verweigerung der professionellen Gläubiger liegt wohl in der Mehrbelastung durch diese Tätigkeit sowie dem gestiegenen Haftungsrisiko. Denn der Gläubigerausschuss hat nicht nur über die Person des Verwalters zu entscheiden, sondern das gesamte Verfahren zu überwachen, welches sich oftmals über mehrere Jahre erstreckt.

Das dritte Anliegen des Gesetzgebers, das Insolvenzplanverfahren attraktiver zu machen, war die logische Folge der Verbesserung der Eigenverwaltung. Der Insolvenzplan ist das Instrument, mit dem das Unternehmen seinen Rechtsträger aus dem Insolvenzverfahren befreien kann. Hier hatte die Praxis nach 1999 gezeigt, dass an einigen Stellen handwerkliche Fehler behoben werden mussten. Daneben hat er die Möglichkeit geschaffen, auf die Ebene der Gesellschafter durchgreifen zu können, und im Insolvenzplan beispielsweise durch die Übertragung von Anteilen auch für diese verbindliche Regelungen zu treffen. Davon wird in der Praxis vielfach Gebrauch gemacht. Insoweit sei nur auf die breite Auseinandersetzung im Fall Suhrkamp verwiesen. Weniger Gebrauch wird bisher aber von der neuen Möglichkeit des debt-equity-swaps gemacht. In Deutschland wollen die Gläubiger in der Regel keine Anteilseigner werden. Dies ist wenigen Spezialfällen vorbehalten und wohl auch dem Wollen des Gesetzgebers geschuldet, die anglo-amerikanischen Rechtsideen in Deutschland zu verwurzeln.

Fazit

Der Gesetzgeber ist mit dem ESUG einen wichtigen Schritt gegangen. Auch wenn es noch einige Zeit dauern wird, bis die neuen Instrumente als gleichwertige Sanierungsmöglichkeiten bei Unternehmen angesehen werden, sind sie in der öffentlichen Wahrnehmung schon als solche angekommen. Unebenheiten der Praxis werden sich in den kommenden Jahren durch die Rechtsprechung begradigen lassen.

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