Wendelstein – Spin-off mit hohen Ansprüchen

Selbst zu bestimmen, welche Mandate man bearbeitet oder wie man Arbeitsabläufe strukturiert, ist für viele Anwälte eine verlockende Vorstellung. Sechs ehemalige Senior Associates der Sozietät Hengeler Mueller haben ihren Traum wahrgemacht und gründeten im Januar 2011 ihre eigene Kanzlei: Wendelstein. Wie sich die ersten 100 Tage der neuen Freiheit anfühlen und warum Großkanzleien doch ihre Vorteile haben, darüber sprach PLATOW Recht mit zwei der Gründungspartner, Frank Fischer und Karl Thomas Koenen.

Sie haben Hengeler Mueller gegen Wendelstein getauscht. Warum? Fehlte es an beruflicher Perspektive?

Koenen: An irgendwelchen Zukunftsperspektiven hat sich die Idee nicht aufgehängt. Wir waren alle sehr zufrieden bei Hengeler und konnten uns auch nicht vorstellen, in eine andere Kanzlei zu wechseln. Ich denke, die Motivation war eher die Möglichkeit, unseren Arbeitsplatz von Grund auf selbst gestalten zu können. In einer großen Kanzlei ist die Entscheidungsfreiheit schon durch die Organisationsstruktur begrenzt. Das hätte mir auf lange Sicht in einer Großkanzlei gefehlt.

Dann war der Neubeginn sicher wie ein Befreiungsschlag.

Fischer: So drastisch würde ich das nicht bezeichnen. In den ersten Jahren als Anwalt habe ich über solche Dinge auch noch gar nicht nachgedacht. Ich war im Gegenteil eher dankbar, dass ich Leute mit Erfahrung um mich hatte, von denen ich lernen konnte. Den Beruf zu erlernen und in spannenden Mandaten mitzuarbeiten, war mir zu dem Zeitpunkt Entfaltung genug. Aber irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich mich gefragt habe, wie es für mich weitergehen kann. Und da hat die unternehmerische Komponente und das Gefühl, bei Null anfangen zu können, bei mir den Ausschlag gegeben.

Von der ersten Idee bis zur fertigen Kanzlei war es ein langer Weg

Was als spontaner Einfall begann, wurde schnell ein konkretes Projekt. Im Sommer 2010 beschlossen Philipp v. Bismarck, Matthias Budde, Frank Fischer, Lars Ferenc Freytag, Karl Thomas Koenen und Daniel Müller-Etienne die Gründung einer eigenen Kanzlei. Doch bis die Jungunternehmer am 17.1.11 ihre ersten Mandanten empfangen konnten, standen viele Entscheidungen an. So wie der Name, an den die Gründer hohe Ansprüche hatten: Außergewöhnlich, aber nicht exotisch, doppeldeutig, aber nicht missverständlich. Der Name Wendelstein setzte sich schließlich gegen rund 300 Konkurrenten durch. Die geografische Bedeutung spiegelt das gemeinsame Interesse der Anwälte für das Wandern wider, zum anderen steht die architektonische Bedeutung (Wendeltreppe) für den Willen der Gründer, ihre Kanzlei nach oben zu bringen. Wendelstein ist auf Wirtschaftsrecht spezialisiert, u. a. M&A sowie Gesellschafts-, Kapitalmarkt- und Steuerrecht.

Fangen wir doch auch noch einmal bei Null an. Wer hatte denn die Idee, eine eigene Kanzlei zu gründen?

Fischer: Es war ein wenig wie im Film „Die Feuerzangenbowle“. Wir sechs saßen zusammen, haben über alte Zeiten und die Zukunft geplaudert und dabei kam uns der Gedanke, wie es wäre, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Und was soll ich sagen? Wir waren alle direkt Feuer und Flamme.

Koenen: Ich glaube, man sollte nicht unterschätzen, dass Senior Associates häufig über so etwas reden. Als Anwalt hat man in der Regel drei Möglichkeiten: Entweder wird man irgendwann Partner in einer bestehenden Kanzlei, man geht in die Rechtsabteilung eines Unternehmens oder man gründet eben eine eigene Kanzlei. Von daher sind wir keine Revolutionäre. Allerdings stimmt es schon, dass die Wenigsten unseren Schritt ebenfalls wagen. Was mich nach unseren Erfahrungen eigentlich wundert.

Vermutlich, weil die Unternehmensgründung auch der risikoreichste von allen drei Wegen sein dürfte. Wie liefen denn die ersten Monate als Jungunternehmer?

Koenen: Es läuft sehr gut. Wir bekommen interessante Mandate und andere Kanzleien empfehlen uns. Gewöhnungsbedürftig sind für uns alle dagegen noch die neuen Aufgaben, die wir als Angestellte nicht kannten. Das fängt bei dem Einkauf von Büromaterial und Kaffee an und hört bei der Mandatsakquise auf. Hier hilft es schon, wenn man eine große Kanzlei im Rücken hat. Wir probieren ständig aus, wie wir die Aufgaben am effizientesten erledigen.

Das klingt, als könnten Sie noch personelle Unterstützung gebrauchen.

Koenen: Wie wir wachsen, wird sich daran orientieren, an welche Grenzen wir stoßen. Das ist im Moment noch schwer zu sagen. Unser Vorteil ist, dass wir breit aufgestellt sind, wobei jeder von uns wiederum sein Spezial-gebiet hat. Von daher können wir die Mandate, die an uns herangetragen werden, sowohl von der Mannschaftsstärke als auch vom Know-how gut meistern. Grundsätzlich sind wir aber nicht auf eine bestimmte Anzahl an Personen festgelegt.

Fischer: Die Größe, mit der wir gestartet sind, nimmt uns den Druck, schon in der Anfangsphase über Wachstum nachdenken zu müssen. Wären wir nur zu zweit, hätte sich diese Frage bestimmt bald gestellt. So haben wir den Luxus, dass wir es nun auch erst einmal auf uns zukommen lassen können.

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