Whistleblowing – Kein Freibrief für Arbeitnehmer

Pflichtwidriges Whistleblowing kann zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen. Dies entschied das LAG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 20. März. Einem aus Kurzarbeit zurückgekehrten Ingenieur wurde gekündigt, weshalb er als Revanche – ohne vorherige Rücksprache – seinen Arbeitgeber bei der Bundesagentur für Arbeit wegen Missbrauchs von Kurzarbeit anzeigte. Dies führte zu einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft.

In der Berufungsinstanz gegen die erstinstanzlich erfolgreiche Kündigungsschutzklage beantragte der Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Dem gab das LAG nach §§ 9, 10 KSchG trotz der unbegründeten und damit unwirksamen Kündigung statt. Entscheidend war, dass angesichts der Anzeige bei der Bundesagentur eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Ingenieur nicht erwartet werden konnte, sondern der Arbeitgeber auch zukünftig mit externen Anzeigen anstelle interner Lösungen rechnen musste.

„Whistleblowing ist in Deutschland weiterhin für Arbeitnehmer riskant und für Arbeitgeber unberechenbar“, fasst Tobias Neufeld, Partner und Arbeitsrechtsexperte bei Allen & Overy die Rechtslage zusammen. Auch das Urteil des
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom 21.7.11 definiert keine klaren Regeln zum Whistleblowing und ist auch nicht – entgegen der Aufnahme in der Tagespresse – Grundlage für einen ausgeprägten Whistleblowerschutz. Der EGMR sah die Offenlegung von Missständen im Altenpflegebereich durch eine Arbeitnehmerin mittels Strafanzeige nach erfolglosen internen Lösungsversuchen als gerechtfertigt an. Damit gilt: Nicht jeder externe Hinweis von Mitarbeitern auf Missstände im Unternehmen ist zulässig. Nimmt der Mitarbeiter keine Rücksicht auf die Interessen seines Arbeitgebers, kann dies sogar zur außerordentlichen Kündigung führen. Unzumutbar wird die Rücksichtnahme z. B. nur bei einer schweren Straftat oder öffentlichem Interesse an der Aufdeckung des Missstands sein.

Ein Hinweisgeberschutzgesetz – jüngst vorgelegt durch die SPD-Bundestagsfraktion – soll nun verbindliche Regeln für Whistleblowing in Deutschland schaffen. „Wünschenswert ist ein Ausschluss von Nachteilen bei rechtmäßigen Hinweisen gegenüber spezifischen Stellen und nach Einhaltung eines innerbetrieblichen Klärungsverfahrens“, fordert Neufeld mit Blick auf den in UK bereits 1998 erlassenen und in der Praxis bewährten Public Interest Disclosure Act.

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