Elektromobilität: Noch besteht viel Unklarheit

"Forschung und Entwicklung im Bereich der Elektromobilität nehmen stetig zu. So hat auch die Bundesregierung im Jahr 2009 den Förderschwerpunkt „Elektromobilität in Modellregionen“ geschaffen, um in acht ausgewählten Regionen die Markteinführung der Elektromobilität vorzubereiten. Zusätzlich wurde im Mai 2010 die Nationale Plattform Elektromobilität ins Leben gerufen. Elektromobilität und speziell die damit verbundene Thematik „Ladeinfrastruktur“ ist momentan ein aktuelles Thema in Deutschland. Allerdings offenbaren laufende Pilotprojekte noch erhebliche Rechtsunsicherheit. Björn Heinlein und Kerstin Semmler von Clifford Chance geben einen rechtlichen Überblick."

Zunächst könnte man vermuten, Elektromobilität sei vorrangig ein Thema, das die Automobil- und Energieindustrie betrifft. Tatsächlich zieht das Thema jedoch größere Kreise und umfasst viele weitere Branchen, u. a. Zulieferer sowie IT-Unternehmen. Daraus lässt sich bereits die Komplexität eines Elektromobilitätskonzepts erahnen. Durch die verstärkte Nutzung der Elektromobilität wird folglich auch der Rechtsrahmen bei einer Vielzahl von Normen tangiert. So sind vor allem ordnungs-, datenschutz- und IT-rechtliche Fragestellungen sowie insbesondere der straßenrechtliche Rechtsrahmen bei der Errichtung der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum von großer Bedeutung. Ebenso wichtig ist allerdings auch die regulatorische Einordnung der Ladeinfrastruktur nebst Ausgestaltung des Drittzugangs sowie die Abbildung eines „untertägigen“ Lieferantenwechsels für Ladestrom.

Straßenrechtlicher Rechtsrahmen

Bei batteriebetriebenen Fahrzeugen nimmt der Ladevorgang – im Gegensatz zum Tankvorgang bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor – zumindest derzeit noch mehrere Stunden in Anspruch. Ein reibungsloses Aufladen der Batterien im öffentlichen Straßenraum ist daher nur möglich, wenn die an die Ladesäulen angrenzenden Parkflächen ausschließlich für Elektrofahrzeuge reserviert werden. Die rechtliche Umsetzung einer solchen Reservierung bereitet im Rahmen des geltenden Straßenverkehrs- sowie Straßenrechts erhebliche Probleme. Denn der Gebrauch der öffentlichen Straßen ist grundsätzlich jedermann gestattet und eine Beschränkung somit nur in besonderen Ausnahmefällen denkbar. Auch durch eine Widmungsbeschränkung kann die gewünschte Parkraumprivilegierung nicht erreicht werden, denn dadurch dürfen keine verkehrsrechtlichen Regelungen getroffen werden. Die Ordnung der verkehrsbezogenen Verhaltensweisen ist ausschließlich den Straßenverkehrsvorschriften vorbehalten. Der Gesetzgeber könnte diesbezüglich Rechtssicherheit schaffen, indem er einen zusätzlichen Privilegierungstatbestand zu Gunsten der Nutzer von Elektrofahrzeugen in der StVO verankert.

Regulatorische Einordnung der Ladeinfrastruktur

Langfristig ist auch die Verwendung einheitlicher und normierter Ladesäulen wünschenswert, an denen sämtliche Fahrzeugtypen aufgeladen werden können. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die Ladeinfrastruktur dem energierechtlichen Regulierungsregime unterliegt oder aber dem Wettbewerbsmarkt überlassen werden soll. Wenn die Ladeinfrastruktur als Teil des Netzes mit der Folge, dass sie dann den Regulierungsvorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes unterfällt, eingestuft werden soll, so bedürfte es zunächst einer entsprechenden Klarstellung durch den Gesetzgeber. Begreift man die Ladeinfrastruktur hingegen nicht als Teil des Netzes und daher als im Wettbewerb stehend, so wäre der rechtliche Rahmen entsprechend zu fassen, wonach auch für den Anschluss von Ladeinfrastruktur ein gesetzlicher Anspruch auf Netzanschluss gegenüber dem Betreiber des Energieversorgungsnetzes besteht. In der derzeitigen Diskussion ist allerdings noch nicht geklärt, ob Ladestationen als Netzbestandteil oder aber als Kundenanlage, Direktleitung oder als eine Anlage eigener Art zu definieren sind. Das geltende Gesetz kennt bislang keine den Ladestationen vergleichbare öffentlich zugängliche Einrichtung, über die jedermann Strom beziehen kann.

Lieferantenwechsel an Ladesäulen

Derzeit ungeklärt ist auch die Abbildung des an der Ladesäule stattfindenden Lieferantenwechsels, der zukünftig und je nach Ausgestaltung des Systems über den Tag verteilt durchaus mehrfach vorkommen kann. Derzeit wird für einen Lieferantenwechsel ein Zeitraum von einem Monat eingeräumt; nach dem Dritten Binnenmarktpaket soll er sogar nur noch maximal drei Wochen betragen. Fraglich ist folglich, wie ein solcher an einer Ladesäule täglich mehrfach stattfindender Lieferantenwechsel abgebildet werden kann.

Die anstehenden Entwicklungen im Bereich der Elektromobilität werden den Straßenverkehr nachhaltig verändern. Jedoch wird sich ein Ausbau der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum erst umsetzen lassen, wenn die offenen rechtlichen Fragen und Rahmenbedingungen hinsichtlich der Nutzung des öffentlichen Straßenraums für Ladeinfrastruktur und die Reservierung spezieller Parkflächen für Elektrofahrzeuge geklärt sind. Solange wird wohl der überwiegende Teil im rein privatrechtlichen Raum installiert werden. Ferner belegen die gegenwärtigen Pilotprojekte, dass letztlich der Erfolg einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur nicht nur von technischen, sondern auch von rechtlichen Innovationen abhängen wird.

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