Drei Fragen an ...

„Wie verändern sich Private-Equity-Deals in Krisenzeiten, Herr Schinköth und Herr Hirschmann?“

Jan Schinköth und Florian Hirschmann
Jan Schinköth und Florian Hirschmann © Goodwin Procter LLP

Etliche Jahre lang ging es für die Private-Equity-Branche immer nur aufwärts, und nach dem Corona-Einbruch 2020 jagten sich die Rekorde. Vor Kurzem erst kündigte das PE-Haus Advent einen 25 Mrd. US-Dollar großen Mega-Fonds an, den zweitgrößten aller Zeiten. Doch die Deal-Zahlen sind rückläufig, und höhere Kreditzinsen dürften bald dazu führen, dass die Investoren auf einen bedeutenden Teil ihrer Leverage-getriebenen Renditen verzichten müssen. In dieser neuen Situation müssen die erfolgsverwöhnten Player umdenken.

Welche Themen stehen heute bei Deal-Projekten für die PE-Häuser selbst im Vordergrund, im Gegensatz zu den Jahren bis 2021?

Wir beobachten, dass Käufer bei der Target-Selektion noch wesentlich stärker auf die Zahlen schauen als ohnehin schon. Cashflow und Working Capital der potenziellen Zielunternehmen sind wichtiger denn je, und die Grenzen bei den Kaufpreis-Multiples sind sehr viel schneller erreicht, als man das in den letzten Jahren gewöhnt war. Die Investoren rechnen, kurz gesagt, mit spitzerem Bleistift – auch weil immer mehr Deals mit wenig bzw. ohne Fremdkapital finanziert werden.

Teils werden Projekte auch wieder gestoppt, sogar wenn der Verkaufsprozess bereits losgelaufen war. Je nach Target und Finanzierungsform kann die Unsicherheit einfach zu groß sein. Das betrifft die Kaufpreise, aber auch das Zinsumfeld. Dann wartet man erst einmal ab.

Was macht derzeit attraktive Target-Unternehmen aus?

Der Fokus bei der Target-Auswahl lag in den letzten Jahren im Wesentlichen auf bestimmten, präferierten Branchen und Sektoren, die geographische Lage spielte oft nur eine Nebenrolle. Das ist vorbei. Aktuell sollten Targets idealerweise kein Exposure in Russland und seinen unmittelbaren Nachbarstaaten haben, auch ein zu großer Asien-Anteil kann nachteilig sein.

Targets aus dem produzierenden Gewerbe mit langen, komplexen Lieferketten sind momentan schwierig zu bepreisen, ähnlich ist es im Lebensmittelsektor. Dafür fließt nach unserer Beobachtung mehr Geld denn je in den Tech-Bereich. Das betrifft vor allem Unternehmen, die in ihrem Wachstum schon fortgeschritten sind, aus den Venture-Capital-finanzierten Frühstadien herausgewachsen und auch als Growth-Capital-Target nicht ganz klein. Die fallenden Bewertungen für viele etablierte Tech-Konzerne spielen dabei kaum eine Rolle, weil es stattdessen um spezifische, technisch sehr anspruchsvolle und innovative Geschäftsmodelle geht. Hier sind meist Interessenten involviert, die sich in der betreffenden Branche gut auskennen und wohlfühlen.

Rüstungsunternehmen werden kommerziell gerade wieder interessant, allerdings schließen die Richtlinien der meisten PE-Häuser und institutionellen Investoren Beteiligungen in diesem Sektor aus. Dass sich daran bald etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Damit kommen diese Targets eher für bestimmte Family Offices oder strategische Käufer in Frage.

Wenn sich viele Bieterprozesse so schwierig und zäh gestalten – weichen Investoren bereits auf andere Assetklassen aus, etwa auf Infrastruktur?

Die Mittel, die aktuell zugesagt und auf diverse Fonds verteilt sind, lassen sich kaum verschieben. Nicht nur die PE-Gesellschaften haben sich zu bestimmten Rahmenbedingungen für ihre Investments verpflichtet, auch ihre Geldgeber – oft institutionelle Investoren – sind an feste Regeln gebunden. Das heißt, die verfügbaren Mittel müssen investiert werden, auch um den Preis, dass die Rendite nicht mehr das Level erreicht, an das man sich in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt hat.

Umgesteuert wird dafür bei der Verteilung der Mittel auf neue Fonds. Das Angebot der meisten PE-Gesellschaften ist breiter denn je. Viele von ihnen, auch kleinere, sehen sich inzwischen als Multi-Asset-Manager, nicht als reine Buy-out-Häuser. Neben den klassischen Small-, Mid- und Large-Cap-Fonds gibt es dann beispielsweise auch Debt- und Special-Situations-Fonds.

Infrastrukturinvestments sind regulatorisch anspruchsvoll und erfordern viel Spezialexpertise. Sie kommen daher eher für entsprechend aufgestellte Beteiligungsgesellschaften in Frage, die die nötige Branchenerfahrung entweder schon im Haus haben oder strategisch aufbauen können.

Wesentlich häufiger sehen wir in letzter Zeit z.B. spezialisierte Venture-Debt-Fonds, die oft von London aus agieren. Sie engagieren sich nicht mit besonders großen Summen pro Investment, üblicherweise 10 Mio. bis 50 Mio. Euro. Aber sie sind breitgestreut bei sehr vielen Venture-Deals dabei.

Jan Schinköth und Florian Hirschmann sind Partner für M&A- und Private Equity-Transaktionen bei Goodwin Procter in München.

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