Drei Fragen an ...

Wie will die EU die Krypto-Sphäre regulieren, Herr Siadat?

Alireza Siadat
Alireza Siadat © Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft

Am heutigen Donnerstag (30.6.) sind die finalen Trilog-Verhandlungen angesetzt, auf denen sich die Vertreter von EU-Parlament, -Kommission und -Rat über noch offene Punkte der EU-Verordnung zu Markets in Crypto Assets (MiCAR) einigen wollen. Das Regelwerk soll bis spätestens Jahresende verabschiedet sein. Um welche Inhalte es dabei konkret geht und was das für Investoren bedeutet, erläutert Alireza Siadat, Partner im Frankfurter Büro von Annerton.

Welche wesentlichen Inhalte stehen schon fest, welche Punkte sind (noch) umstritten?

Die MiCAR soll für die EU einen einheitlichen Kryptowerteregulierungsrahmen schaffen, insbesondere Verbraucherschutzvorschriften für die Emission und den Handel mit Kryptowerten. Regulieren soll die MiCAR Transparenz- und Offenlegungspflichten für die Ausgabe von Kryptowerten und ihre Zulassung zum Handel, die Zulassung und Beaufsichtigung von Anbietern von Kryptodienstleistungen, die Emittenten von wertreferenzierter Token und E-Geld-Token sowie den Betrieb, die Organisation und die Unternehmensführung von Emittenten wertreferenzierter Token und E-Geld-Token.

Die MiCAR unterscheidet zwischen einfachen Kryptowerten wie Utility Token und Stablecoins wie E-Geld-Token und wertreferenzierten Token, wobei Utility Token sehr weit verstanden werden. Für den grenzüberschreitenden EU-Vertrieb von Kryptowerten sind die Notifizierung und die Veröffentlichung eines Whitepaper und ggf. der Marketing-Mitteilungen erforderlich. Der Kryptowerteemittent haftet für ein fehlerhaftes Whitepaper. Die MiCAR soll zudem für den Europäischen Wirtschaftsraum einen einheitlichen Kryptowerteregulierungsrahmen mit eigenen Zulassungs- und Vertriebsvorgaben für Kryptodienstleister schaffen. Das Zulassungsverfahren der MiCAR ähnelt dem Erlaubnisverfahren nach dem KWG/WpIG. Zugelassene Kryptodienstleister dürfen in der gesamten EU ihre Dienstleistungen anbieten. Die MiCAR sieht einen umfassenden Pflichtenkatalog mit allgemeinen Pflichten für alle Kryptodienstleister und mit besonderen Pflichten für spezifische Kryptodienstleister vor.

Während die Regulierungsvorgaben für Kryptowerte, die keine Stablecoins sind, weitestgehend feststehen, ist die Regulierung von E-Geld-Token und wertreferenzierter Token noch unklar. Insbesondere das Zusammenspiel mit der bestehenden und bald neu kommenden E-Geld-Regulierung ist nicht geklärt. Zudem wurden jüngst wieder Non-Fungible-Token („NFT“), die ursprünglich im MiCAR-Entwurf waren und dann entfernt wurden, thematisiert. Nachdem viele sich für die Wiederaufnahme der NFTs in die MiCAR ausgesprochen haben, wird überlegt, für den großvolumigen Handel von NFTs zumindest eine geldwäscherelevante Registrierungspflicht für Kryptodienstleister in die MiCAR aufzunehmen.

Nicht von der MiCAR umfasst werden sog. dezentrale Finanzdienstleistungen („DeFi“).

Was ändert sich mit Inkrafttreten der Verordnung für deutsche Investoren?

Kryptowährungen und Utility Token werden in Deutschland bereits als Kryptowerte und Rechnungseinheiten – und damit als Finanzinstrumente – reguliert, so dass man davon ausgehen könnte, dass die MiCAR nicht viele Änderungen für deutsche Investoren verursachen wird. Aber tatsächlich wird es sowohl für die Emission der Token als auch für den späteren Vertrieb viele Neuerungen geben, die insgesamt stark an die Regulierung von MiFID-Finanzinstrumenten (insbes. Wertpapiere) angenähert sind.

So werden deutsche Investoren bereits durch das Whitepaper grundlegend über zu erwerbende Kryptowerte informiert und zugleich aufgrund der Haftungsvorgaben für Kryptowerte-Emittenten besser geschützt. Auch die Transparenz- und Offenlegungspflichten bieten noch mehr Schutz für deutsche Investoren. Diese werden flankiert mit Wohlverhaltensregeln, spezifischen Compliance-Vorgaben für Krypto-Dienstleister und Regelungen zur Stärkung der Kryptomarktintegrität.

Wie genau bekämpft MiCAR die Risiken und Nebenwirkungen des Kryptohandels – Umgehung von Wirtschaftssanktionen, Geldwäsche, Umweltbelastung und dergleichen?

Die MiCAR wird diese drei Punkte überhaupt nicht regeln. Geldwäsche- und Sanktionsthemen werden spezialgesetzlich bereits durch das Geldwäschegesetz, die Kryptowertetransferverordnung und die Geldtransferverordnung geregelt. Beim Thema Umweltbelastung gab es zwar Vorschläge, diese mit in die MiCAR aufzunehmen („Proof-of-Work-Verbot“), diese Vorschläge werden aber wohl nicht weiter verfolgt. Es ist aber durchaus möglich, dass die MiCAR Umweltthemen mit abdecken wird. Ansonsten wird die MiCAR indirekt viele Risiken und Nebenwirkungen des Kryptohandels mitigieren, da das Regelwerk bereits im jetzigen Entwurf sehr umfassend ist.

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