Regulierung

Schöne neue Krypto-Welt

Betrugs- und Geldwäscheskandale, Insolvenzen, Entlassungswellen und vernichtetes Kapital in der Größenordnung von 2 Bio. US-Dollar – die Zeiten sind vielleicht nicht ideal, um für Krypto-Anlagen zu trommeln. Doch um Einzelbeispiele wie Bitcoin, Terra/Luna oder den Pleite-Fonds Three Arrows Capital geht es eigentlich gar nicht, sind sich viele Branchenexperten sicher. Effiziente Werkzeuge wie Smart Contracts oder die darauf aufbauenden digitalen Token ließen sich schließlich auch für andere Finanzprodukte verwenden, bis hin zum komplett dezentral aufgebauten Finanzsystem, erklärt Juniorprofessor Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance & Management (FS).

Auf einem „Krypto-Investorentag“ an der Frankfurt School of Finance & Management (FS) war kürzlich viel von „Bodenbildung“ und günstigen Einstiegskursen die Rede. Misstrauische Stimmen konterte Philipp Sandner damit, dass die zuletzt beobachtete Korrelation der Aktien- und digitalen Währungsmärkte statistisch die absolute Ausnahme sei. Vielleicht, so mutmaßten manche, auch schlicht eine Folge dessen, dass zuletzt so viele institutionelle Investoren mit so konventionellen Reflexen wie Stop-Loss in dieser Assetklasse mitmischten.

In einem war man sich auf der FS-Tagung jedenfalls weitgehend einig: Die Krypto-Technologie wächst und gedeiht, allen Rücksetzern zum Trotz. Auch wenn diese Story gelegentlich wie ein alter libertärer Traum daherkommt – die Idee, dass man Wirtschaftssysteme regelmäßig niederbrennen muss, damit nur die robustesten Player stehenbleiben – spricht doch ein zentraler Punkt dafür, dass die Fans Recht haben. In dem Maß, in dem die Aufsichtsbehörden den Wildwuchs einhegen und den Rechtsrahmen für die Krypto-Sphäre stabilisieren, schaffen sie auch Legitimität.

Dabei bleibt noch einiges zu tun, gerade jurisdiktionsübergreifend. „Die bisherige europaweite Regulierung ist ein Flickenteppich aus nationalen Regelungen mit riesigen Löchern dazwischen. Bisher ist alles, was nicht unter die Kapitalmarkt- oder die E-Geld-Regulierung fällt, im Kern unreguliert, selbst wenn einzelne Regelungen wie etwa das Geldwäschegesetz unter bestimmten Voraussetzungen auch dafür Anwendung finden“, erklärt Leopold von Gerlach, Digital-Experte bei Hogan Lovells. Die entsprechende EU-Verordnung für Markets in Crypto-Assets (MiCAR) durchläuft gerade die Trilog-Verhandlungen und soll bis Jahresende greifen.

„Tokenisierte Aktien oder andere Anteile an Unternehmen, also Security Token, sind eindeutig Wertpapiere und damit schon heute reguliert. Es gilt die Prospektpflicht, es gilt die Genehmigungspflicht für Emittenten“, erläutert von Gerlach. Direkt daneben gebe es aber große Graubereiche. „Digitale Währungen sind zwar Zahlungsmittel, aber nicht im Sinne der E-Geld-Richtlinie, die zentrale Ausgabestellen bzw. Issuer voraussetzt. NFTs wiederum gelten als nicht replizierbare Einzelwerte, also eigentlich ein Fall für das Sachenrecht, was allerdings angesichts fehlender ‚Verkörperung‘ einer Sache ebenfalls keine Anwendung findet.“

Wenn MiCAR für alle Anbieter, Produkte und Intermediäre gilt, dürfte also eine neue Phase der Marktentwicklung beginnen – allmählich. „Bis die Regulatorik in der Breite ankommt und auch im realen Geschäft Anwendung findet, etwa bei neu aufgelegten Fonds, wird es allerdings noch anderthalb bis zwei Jahre dauern“, prophezeit Frank Dornseifer, Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments (BAI), der die Situation ähnlich sieht wie beim ersten Auftritt der ebenfalls skeptisch beäugten Hedgefonds vor rund 15 Jahren. Für Investoren, so die Hoffnung vieler Teilnehmer, könnte damit der Knoten platzen. Eine Perspektive, die ihrerseits als Verkaufsargument taugt. Eine Beimischung von 2-3% fand auf der FS-Tagung etwa Stefan Schwitter von der Deutsche Börse-Tochter Crypto Finance für die meisten Anleger völlig opportun, denn: „Ein Krypto-Investment ist eine Call-Option auf die Zukunft.“ Man muss nur ganz fest daran glauben.

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