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Übernahmerecht – Kleine Änderung, große Wirkung

Stada steckte fest, Linde und Osram ebenso, zuletzt auch Deutsche Wohnen. Wenn öffentliche Übernahmeangebote an der Mindestannahmeschwelle hängenbleiben, die die Bieter vorab festlegen, ist erst einmal Schluss, denn ändern oder ganz streichen lassen sich diese Bedingungen nur bis kurz vor Ablauf der Angebotsfrist.

Nachbessern geht ohne Sondergenehmigung des Zielunternehmens und der BaFin erst wieder nach einem Jahr. Für die genannten milliardenschweren Übernahmen fand sich am Ende zwar auch so ein Weg. Das ginge aber einfacher, finden viele.

Spezialisten sprechen schon lange von einem „Webfehler“ im Übernahmegesetz (WpÜG), auch wenn die Mindestannahmebedingungen sonst ganz gut als Indikator für Ziele und Zuversicht eines Bieters taugen. Wer sich nicht mit gut 50% begnügt, hat in der Regel Größeres vor, etwa wenn er „für die Finanzierung oder aus strategischen Gründen auf einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag angewiesen ist oder nach dem Angebot kurzfristig andere Restrukturierungsmaßnahmen vornehmen möchte, die entsprechende Mehrheiten erfordern“, erläutert Jochen Tyrolt, M&A-Partner bei Gleiss Lutz.

Kritischer als ursprünglich gedacht wird diese Schwelle nun dadurch, dass in den vergangenen Jahren eine Gruppe von Anteilseignern in nie dagewesenem Umfang auf den Plan trat: die Indexfonds. Andienen dürfen diese ihre Aktien erst, wenn klar ist, dass es zur Übernahme kommt. Dazu kommen oft noch Hedgefonds, die möglichst viele Anteile zurückhalten, um mit dem Rest nach Erreichen der Annahmeschwelle besser pokern zu können.

Warum nicht mal verzichten?

Der Kreis der für Bieter erreichbaren Aktionäre ist damit gerade bei großen Konzernen heute „deutlich kleiner, als es der Gesetzgeber des WpÜG im Jahr 2001 voraussehen konnte“, meint Michael Brellochs, Aktienrechtspartner bei Noerr. Index- und Hedgefonds zusammen hielten während der Vonovia-Angebotsfrist angeblich zeitweise rd. 50% der Deutsche Wohnen-Aktien.

Brellochs, der sich kürzlich gemeinsam mit dem Heidelberger Uni-Prof. Dirk Verse durch die Übernahmeregeln anderer Länder gewühlt hat, schlägt darum vor, den Verzicht auf die Mindestannahmebedingung auch nachträglich möglich zu machen. Möglichst nur innerhalb kurzer Frist, vielleicht auch kombiniert mit einer Untergrenze – schließlich wäre es sonst denkbar, dass Bieter nur deshalb eine hohe Schwelle festlegen, weil man sich „eine möglichst große Flexibilität vorbehalten will, aber eigentlich von vornherein bereit ist, das Angebot schon mit einer viel niedrigeren Annahmequote durchzuführen“. Nachteile einer solchen Regelung sehen er und Verse für niemanden außer für Hedgefonds, die lediglich auf Arbitragegewinne aus sind.

Aktionärsvertreter prinzipiell aufgeschlossen

Dass die Politik das Thema noch nicht auf die Agenda gesetzt hat, dürfte daran liegen, dass es Dringenderes gibt. Irgendwie funktionieren die meisten Übernahmeprojekte am Ende doch, auch wenn die Vorstände der Target-Unternehmen auf lange Hängepartien sicher gern verzichten würden. Außerdem wäre die Frage, ob eine Konsolidierung der Konzernlandschaft unbedingt erleichtert werden sollte, sicher für politische Kontroversen gut.

Auf Aktionärsseite wäre man durchaus aufgeschlossen: „Über die Notwendigkeit von Mindestannahmeschwellen kann man sicher diskutieren. Flexibilität ist prinzipiell nur positiv“, meinte etwa DSW-Geschäftsführer Thomas Hechtfischer auf PLATOW-Anfrage. Und auch wenn gerade Flaute herrscht bei großen M&A-Projekten – das nächste Übernahmeangebot kommt bestimmt.

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