Managed Legal Services – Die verlängerte Werkbank für Rechtsabteilungen

Der Kostendruck in Unternehmen steigt und auch in Rechtsabteilungen stellt sich zunehmend die Frage: Was wird selbst erledigt und welche Leistungen werden zugekauft? Für große Transaktionen wie Zu- oder Verkäufe werden weiterhin häufig externe Berater verpflichtet, vornehmlich aus Großkanzleien oder spezialisierten Boutiquen, die üblicherweise auf Stundenbasis abrechnen. Doch auch im Nachgang solcher Verhandlungen wartet auf die Rechtsabteilungen noch jede Menge Arbeit – Arbeit, die Unternehmen ebenfalls gerne auslagern, für die aber häufig andere Budgetgrenzen gelten. Hier kommen die sogenannten Managed Legal Services ins Spiel, juristische Lösungen zur Entlastung der Inhouse-Juristinnen und -Juristen bei Sonderprojekten oder regelmäßig wiederkehrenden Standardaufgaben. Die deutsche Kanzleilandschaft reagiert auf diese sich verändernden Kundenbedürfnisse. Immer mehr Sozietäten bieten neben der herkömmlichen Beratungsarbeit auch „flexible“ Lösungen an, beispielsweise Linklaters mit ihren "Alternative Legal Services" oder Luther mit den "Luther.Solutions". Doch wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den „traditionellen“ Beraterteams und den „flexiblen“ Einsatzkräften und was heißt das für das Kanzlei-Branding? Darüber haben wir mit Carl Renner und Michael Zollner gesprochen, beide Partner der Sozietät Pinsent Masons und dort verantwortlich für die Praxisgruppe Pinsent Masons Vario in Deutschland.
Herr Renner, Herr Zollner, was verbirgt sich hinter Ihrem Vario-Konzept und welchen Mehrwert bringt das für Ihre Mandanten?
Renner: Pinsent Masons Vario ist integrierter Teil von Pinsent Masons und bietet u.a. sogenannte Managed Legal Services an, d.h. die Auslagerung von juristischen Aufgaben. Wir stellen z.B. für Rechtsabteilungen einen Legal Desk zur Verfügung, mit dem Unternehmen dauerhaft ganze Bereiche auslagern können oder mit dem wir bei Bedarfsspitzen mit einem Team unterstützen. Daneben haben wir Managed Legal Teams, die rechtliche Sonderprojekte im Unternehmen übernehmen, beispielsweise im Nachgang von Zukäufen oder bei der Umsetzung von Datenschutzprojekten.
Zollner: Rechtsabteilungen sehen sich regelmäßig mit der Frage „Make or buy?“ konfrontiert, also der Frage, ob Leistungen intern erbracht oder extern – in der Regel bei Großkanzleien – zugekauft werden müssen. Ein externer Dienstleister kommt immer dann ins Spiel, wenn den Inhouse-Juristen die Expertise in einem Rechtsgebiet fehlt oder Bedarfsspitzen intern kurzfristig nicht abgedeckt werden können. Meist wird dann auf bereits gut bekannte Kanzleien zurückgegriffen. Diesem Qualitätsanspruch steht aber ein gestiegener Kostendruck gegenüber. Die Bereitschaft in Unternehmen, für standardisierte Aufgaben hohe Stundensätze zu zahlen, sinkt. Für die Unternehmen sind die Managed Legal Services-Modelle der Kanzleien daher ein interessantes Angebot. Sie kennen die Kanzleien häufig bereits aus früheren Mandaten, profitieren dabei aber von einer schlankeren Kostenstruktur. Die Managed Legal Teams erledigen quasi als „verlängerte Werkbank“ anfallende Aufgaben und das flexibel und kosteneffizient.
Wie funktioniert der Einsatz dieser Teams in der konkreten Mandatsarbeit?
Renner: Nehmen wir als Beispiel die Umsetzung des Schrems-II-Urteils des EuGH. Dabei geht es darum, dass personenbezogene Daten von EU-Bürgern nur an Drittländer übermittelt werden dürfen, wenn sie in diesem Drittland einen im Wesentlichen gleichwertigen Schutz genießen wie in der EU. Was heißt das nun für Unternehmen? Sie müssen sicherstellen, dass ihre Datenübermittlungsvereinbarungen, die sie mit Kunden, Geschäftspartnern etc. treffen, mit den europäischen Datenschutzbestimmungen übereinstimmen – eine Mammutaufgabe. Für diese regelmäßige Überprüfung bietet sich ein Expertenteam an, dass bei Bedarf mit juristischer Expertise und dem Einsatz von Legal Tech-Lösungen eingesetzt werden kann, ohne dass die Unternehmen dafür eigene Mitarbeitende vorhalten müssen.
Zollner: Gleichzeitig können unsere Teams aber auch einspringen, wenn es spontan im Unternehmen brennt. Vergangenes Jahr etwa hat ein Team in Großbritannien für einen Mandanten aus dem Finanzsektor nach einem Ransomware-Angriff kurzfristig etwa 700.000 Dokumente dahingehend überprüft, Kunden zu identifizieren, deren Daten betroffen waren und die gemäß Artikel 34 der britischen Datenschutz-Grundverordnung benachrichtigt werden mussten. Das wäre in der gleichen Zeit mit „Bordmitteln“ gar nicht zu stemmen gewesen.
Pinsent Masons Vario ist Teil des internationalen Netzwerks von Pinsent Masons. Welchen Mehrwert bringt diese „Arbeitsteilung“ für die Kanzlei und wo gibt es eventuell Schwierigkeiten mit Blick auf den Wettbewerb und die Abgrenzung der Marken „Pinsent Masons“ bzw. „Pinsent Masons Vario“?
Renner: Bei Managed Legal Services geht es um die dauerhafte bzw. längerfristige Auslagerung von Aufgabenbereichen der Rechtsabteilung an einen Service Provider. Damit ergibt sich ein ganz anderer Beratungsansatz gegenüber der herkömmlichen Mandatsarbeit. Mit unserem Vario-Modell können wir Mandanten effizient und flexibel unterstützen und damit auch dem gestiegenen Kostendruck auf Unternehmensseite begegnen. Als Preismodell vereinbaren wir in der Regel eine Mischung aus einer fixen Gebühr und einem variablem Vergütungsanteil. Das führt zu einer hohen Kostentransparenz und Planbarkeit für unsere Mandanten. Mit dieser Aufteilung können wir unseren Mandanten also beides bieten: Die „traditionelle“ Mandatsarbeit, etwa bei komplexen Übernahmeverhandlungen oder Kapitalmarkttransaktionen und flexible Lösungen für regelmäßig wiederkehrende Aufgaben – im zunehmend harten Wettbewerb auf dem Rechtsberatungsmarkt ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Zollner: Ich denke, in den nächsten Jahren wird die Nachfrage nach flexiblen juristischen Lösungen eine immer größere Rolle spielen. Zum einen getrieben durch die steigende Nachfrage auf Mandantenseite, zum anderen aber auch durch die sich wandelnden Anforderungen der Juristinnen und Juristen an ihre Arbeit. Schon heute erleben wir, dass flexible Projektarbeit gerade für den juristischen Nachwuchs keine Notlösung, sondern ein gezielter alternativer Karriereweg ist. Kurz gesagt: Für beide Bereiche, sowohl die traditionelle Mandatsarbeit als auch Managed Legal Services, wird es einen Markt geben. Statt Konkurrenz sehe ich hier eher eine zeitgemäße gegenseitige Ergänzung.
Zu den Interviewpartnern:
Carl Renner und Michael Zollner sind Partner im Münchener Büro von Pinsent Masons und verantworten gemeinsam die strategische Ausrichtung von Pinsent Masons Vario in Deutschland. Erfahrungen im Bereich Managed Legal Services sammelten Renner und Zollner u.a. bei Lawyers on Demand, dessen erstes deutsches Büro sie 2018 in München eröffneten. 2020 wechselten sie zu Pinsent Masons, um das Vario-Konzept der britischen Sozietät auch in Deutschland auszubauen.
ARTIKEL DIESER AUSGABE
Projektfinanzierung – Wann platzt der Knoten?
Auch wenn die viel beschworene Klemme bei Unternehmenskrediten bisher ausgeblieben ist – die Finanzierungskonditionen für Mittelständler sind härter geworden, und das gerade in dem… mehr
Wie bekommen wir wieder mehr Planungssicherheit im Energiesektor, Herr Larisch?
In der Energiepolitik ist momentan eine Menge im Fluss. Während sich die Ampelkoalition über Heizungen in Privathäusern streitet und in Berlin, Brüssel und anderswo ständig neue Debatten… mehr
Deutsche Bank holt neue General Counsel an Bord
Mit Wirkung zum 5. September wird Friederike Rotsch neue General Counsel der Deutschen Bank. Sie folgt damit auf Karen Kuder, die Ende vergangenen Jahres als Chief Administrative Officer… mehr
A&O Shearman will zum globalen Kanzlei-Giganten werden
Für die schwächelnde US-Sozietät Shearman & Sterling ist es vielleicht die Rettung, für die britisch-internationale Großkanzlei Allen & Overy der Durchbruch auf dem amerikanischen Markt. mehr
Paul Hastings baut Frankfurter PE-Praxis weiter aus
Mit einem Neuzugang auf Partnerebene erweitert die US-Wirtschaftskanzlei Paul Hastings ihr deutsches Beratungsangebot mit Blick auf Private Equity-Transaktionen. mehr
Gleiss Lutz gewinnt Bankaufsichtsrechtler von Clifford
Zum 1. September schließt sich Christian Hissnauer dem Frankfurter Büro der Sozietät Gleiss Lutz als Partner an. mehr
Reed Smith stärkt europäische Private Equity-Praxis
Zum Mai hat die Sozietät Reed Smith ihr Münchener Team um zwei Neuzugänge erweitert. Nikolaus von Jacobs und Christian von Sydow kommen von McDermott Will & Emery und schließen sich… mehr
Aufsichtsrechtlerin schließt sich Allen & Overy an
Zum 1. Juli bekommt Allen & Overy Zuwachs für das Frankfurter Bankaufsichtsrechtsteam. Martina Stegmaier wechselt von der Deutschen Bank und wird als Counsel das Team um Partner Alexander… mehr
Kurz und kompakt – Spannende Mandate im Mai 2023
Ein milliardenschwerer Verkauf nach Übersee, neue strategische Partnerschaften und eine Neuaufstellung im Versicherungsmarkt – auch im Mai vermeldeten die Kanzleien wieder zahlreiche… mehr