Eigenkapitalvorgaben

EU-Bankenpaket – Keine Angst vor Basel IV

Das Risiko- und Eigenkapital-Regelpaket, mit dem der Baseler Ausschuss auf die Finanzkrise 2008 reagierte, ist inzwischen so alt, dass nicht einmal mehr klar ist, welche Nummer es trägt – manche reden noch von Basel III, fortschrittliche Geister schon von Basel IV. So oder so sollen die zwischenzeitlich nachgeschärften Vorschriften in Gestalt der EU-Regularien CRR III und CRD VI ab 2025 greifen.

Bis dahin geht das „Bankenpaket“ seinen Gang durch die EU-Instanzen. Ende Januar schrieb der ECON-Ausschuss des EU-Parlaments seine Position fest, über die nun im Plenum abgestimmt wird. Im Anschluss starten die Trilog-Verhandlungen.

Die größten Befürchtungen der Finanzbranche haben sich inzwischen weitgehend verflüchtigt. Das Kernstück der neuen Regeln hätte wohl in der Tat das Zeug dazu gehabt, die Kreditvergabe zu bremsen: der „output floor“, ein einheitlicher, fester Grenzwert für die zulässige Abweichung des Eigenmittelbedarfs, den eine Bank mit ihren eigenen Risikomodellen errechnet hat, vom Ergebnis der Berechnung nach Standardmethodik. Die Aufseher wollten damit allzu kreative Rechenmethoden zur Geschäftsoptimierung eindämmen, hätten dabei allerdings auch einige Bereiche erwischt, in denen die passenden Modelle fehlen – allen voran die KMU-Finanzierung.

Carve-outs durchgesetzt

Auf Drängen der Branche gibt es nun für zwei zentrale Bereiche recht großzügige Ausnahmen. Die Schraube beim „output floor“ soll ohnehin erst bis 2030 Stück für Stück angezogen werden. Für Kredite an Unternehmen ohne Rating, sprich die weitaus meisten Mittelständler, gelten aber nochmals längere Übergangsfristen, ebenso für Wohnimmobilienkredite. Ein Hauptkritikpunkt, den gerade die deutschen Institute wieder und wieder unterstrichen hatten, ist damit entschärft, auch wenn manchen noch ähnliche Erleichterungen für Geschäftsimmobilien- und Infrastrukturfinanzierungen fehlen.

Weil der Fokus auf möglichst präziser Risikomessung liegt, dürften die Folgen von Basel IV in jedem Fall stärker vom Geschäft des jeweiligen Instituts abhängen als bei den Vorläuferpaketen. Eine Studie von PricewaterhouseCoopers kam 2022 zu dem Schluss, dass die am Ende der Übergangszeit gültigen Regeln („fully loaded“) die risikogewichteten Aktiva bei manchen Banken um 15% reduzieren, bei anderen aber um bis zu 35% vergrößern könnten, mit entsprechenden Folgen für die Eigenkapitalquote. Was vielen Instituten dann als Klotz am Bein hängt und die Kreditvergabe hemmt, könnte anderen also sogar helfen.

ESG-Risiken fürs erste raus

Aufatmen ließ die Branche noch eine andere Nachricht: Anders als lange gefordert, sollen ESG-Risiken nun doch nicht bei den Eigenkapitalanforderungen eingepreist werden. Schließlich tut man sich mit der Quantifizierung von Nachhaltigkeitsaspekten noch eher schwer. „ESG-Standards sind leider meist noch recht unscharf definiert, auch in den bisherigen Stresstests ging es selten um Evidenzen bzw. harte Fakten“, erläutert Andreas Dehio, Aufsichtsrechtspartner bei Linklaters.

Im realen Tagesgeschäft erledigt sich ein Teil dieses Problems von selbst, indem die Kreditgeber in vorauseilendem Gehorsam restriktivere Maßstäbe anlegen. „Unternehmen bekommen bereits heute teilweise schlicht keinen Kredit mehr, wenn sie nicht zu den Nachhaltigkeitsanforderungen der Banken passen, z.B. weil fossile Energien den Kern des Geschäftsmodells bilden“, sieht Dehio. Im Rahmen der novellierten MaRisk spielen ESG-Risiken allerdings sehr wohl eine Rolle und dauerhaft vom Tisch ist das Thema auch im Basel-Kontext nicht. Die EBA soll nun damit beauftragt werden, darüber nachzudenken, ob auch hierfür Kapitalpuffer nötig werden könnten.

Neue Regeln soll es auch zur „Konsolidierung“ geben, also zur gemeinsamen Betrachtung mehrerer Schwester- und Tochtergesellschaften innerhalb einer Gruppe. Anders als bisher sollen diese auch durchleuchtet werden, wenn über der regulierten Einheit ein Fintech-Unternehmen und keine traditionelle Finanzholding als Muttergesellschaft schwebt – eine Reaktion auf den Fall Wirecard, als genau hier das Problem lag.   

Verzögerung durch Krypto?

Ein weiteres, recht spät aufgegriffenes Thema könnte Basel IV allerdings noch aus dem Takt bringen. Inzwischen drängt die EU-Kommission darauf, auch Regelungen zu Krypto-Assets in das Bankenpaket aufzunehmen. Noch spielten Krypto-Risiken in den Büchern der europäischen Banken kaum eine Rolle, so die Begründung, doch das müsse nicht so bleiben. Wollte man Basel IV noch um Krypto-Regeln erweitern, wäre allerdings Eile geboten, denn die Zeit bis zu den nächsten EU-Parlamentswahlen 2024 ist für einen solchen Aufriss knapp bemessen.

Zugleich könnte die Aussicht auf strengere Limits für das Kreditgeschäft dazu führen, dass auch in Europa das Verbriefungsgeschäft in Schwung kommt. Im Januar hatten Christian Lindner und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire per Brief an die EU-Kommission beklagt, man lasse hier ein „essenzielles“ Finanzierungsinstrument brachliegen. Ähnliche Töne kamen zuletzt aus der Branche selbst. „Manche sehen schon eine Renaissance der ABS-Verbriefungen als regulatorisch vergleichsweise unaufwendige Art der Bilanzentlastung“, beobachtet auch Linklaters-Aufsichtsrechtler Dehio. Dass der Euro-ABS-Markt in ungeahnte Dimensionen wächst, noch bevor Basel V auf der Bildfläche erscheint, wäre nicht unplausibel. np

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