Drei Fragen an ...

Was steht uns an Restrukturierungen und Insolvenzen bevor, Herr Grund und Herr Bernsau?

Matthias Grund und Georg Bernsau
Matthias Grund und Georg Bernsau © K&L Gates

Die Insolvenzstatistiken sehen noch immer eher harmlos aus, doch in letzter Zeit trifft es verstärkt größere Unternehmen. Hohe Energiepreise, andere Versorgungs- und Kostenprobleme und in manchen Branchen auch der längerfristige Strukturwandel bringen zunehmend Firmen in Schieflage, von Galeria Karstadt Kaufhof und Görtz (Einzelhandel) über Borgers und Dr. Schneider (Automotive) bis hin zu Hakle (Papierprodukte) und windeln.de (Online-Handel). Wie geht es weiter, und welche Instrumente können angeschlagenen Unternehmen helfen? PLATOW Legal + Finance hat bei den Sanierungs- und Insolvenzexperten von K&L Gates nachgefragt.

Was steht der deutschen Wirtschaft nun an Restrukturierungen und Insolvenzen bevor, und was ist für die Unternehmen besonders riskant?

Es steht nach unserer Meinung außer Frage, dass wir nach Jahren einer relativen Ruhe im Restrukturierungsmarkt in den nächsten Jahren vermehrt mit Sanierungen und auch Insolvenzen rechnen müssen. Die bekannten Strukturprobleme, die schon vor der Covid-Krise vorhanden waren, wie etwa die Digitalisierung der Geschäftsmodelle oder der Umbau der deutschen Autoindustrie vom Verbrenner hin zur E-Mobilität, um nur einige zu nennen, sind nach wie vor vorhanden. Die umfangreichen Hilfen, die vom Staat zur Abmilderung der Lockdown-Folgen gewährt wurden, sind zunehmend aufgebraucht. Vor allem die Folgen des Krieges in der Ukraine und die nach wie vor bestehenden Probleme in den Lieferketten werden viele Unternehmen in die Knie zwingen.

Zwar hat der Gesetzgeber mit einer Abmilderung der Insolvenzgründe reagiert, aber das reicht nicht aus, um den bestehenden Krisencocktail zu entschärfen. Wir sehen in unserer täglichen Praxis, dass die Anfragen für die Beratung in Restrukturierungsfällen stark ansteigen und wir sehen auch, wie schwierig es ist, tragfähige Lösungen zu entwickeln, die langfristig wirken.

Problematisch für die betroffenen Unternehmen ist es in dieser Krisensituation vor allem, wie eine positive Fortführungsprognose aufgestellt werden kann. Die starken Schwankungen lassen sich in einer seriösen Planung kaum abbilden. Kommt es dann zur Insolvenz, wird es für die Organe schwierig sein, nachzuweisen, dass ihre Planung stimmig war. Das kann dann unangenehme Haftungen für die verantwortlichen Personen auslösen. Für die Organe bedeutet dies, dass sie sehr vorsichtig planen, ihre Planungen in kurzen Zeiträumen anpassen und dass sie vor allem die Grundlagen ihrer Planungen dokumentieren müssen.

Welche Rolle könnte und sollte das StaRUG dabei spielen?

Das StaRUG wird in dieser neuen Krisensituation sicherlich eine stärkere Rolle spielen. Zum einen gibt es schon ein paar Fälle, die zu guten Erfolgen geführt haben, zum anderen sind Berater, vor allem aber die Gerichte, auf dieses Instrument besser eingestellt. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass das StaRUG kein Instrument ist, um ein Unternehmen neu aufzustellen. Das StaRUG hilft vielmehr dabei, notwendige Kompromisse etwa mit Finanzgläubigern durchzusetzen oder Gesellschafterstreitigkeiten, die das Unternehmen existentiell belasten, zu lösen.

Keinesfalls kann das StaRUG dabei helfen, beispielsweise Mietverträge zu beenden, Mitarbeiter abzubauen oder anderes mehr. In einem Fall, wo es darum geht, ein Geschäftsmodell eines Unternehmens umfassend zu verändern, ist ein gut vorbereitetes Insolvenzverfahren, vor allem in Form eines Schutzschirmverfahrens, das richtige Werkzeug.

Die Anleihegläubiger des Immobilieninvestors Corestate haben gerade einen Debt to Equity-Swap beschlossen. Werden wir diese Lösung bald öfter sehen, und ist damit zu rechnen, dass sich spezialisierte Investoren auf diesem Weg gezielt bei bestimmten Firmen einkaufen?

Wir sind davon überzeugt, dass wir mehr Restrukturierungen sehen werden, in denen die Gläubiger auch das Unternehmen übernehmen werden. Im amerikanischen Restrukturierungsrecht ist es schon lange eine der Optionen, wie Gläubiger höhere Befriedigungsquoten erlösen können. Wenn ein Unternehmen es nicht schafft, die eigenen Vorgaben und Businesspläne zu erreichen, dann ist es letztlich auch recht und billig, dass die Gläubiger in das Equity einsteigen und von dort in einem deutlich höheren Maße auf die Geschäftspolitik des Unternehmens einwirken. Es geht ja nicht darum, dass Gläubiger ein Unternehmen kapern, sondern der Einstieg in das Unternehmen ist nur dann sinnvoll, wenn eine Restrukturierung ansteht.

Der Vorteil einer solchen Regelung für das Unternehmen liegt dabei auf der Hand: Einmal wird die Zahlungsunfähigkeit und damit ein Insolvenzverfahren vermieden, zum anderen ist damit häufig auch eine Kapitalerhöhung oder zumindest der Zufluss weiterer, meist dringend benötigter, liquider Mittel möglich. Aus der Sicht des Unternehmens und ihrer Gläubiger ist das ein großer Vorteil, auch wenn damit letztlich die Gesellschafter (ganz oder teilweise) enteignet werden. Die Gesellschafter sind aber in einem Insolvenzverfahren auch die Gruppe, die meistens leer ausgeht. Wenn durch den Debt-Equity-Swap eine Insolvenz vermieden und sogar das Unternehmen danach besser aufgestellt ist, ist dies ein Weg, der unterstützt werden sollte.

In diesem Kontext wäre dann, wenn ein einverständlicher Swap nicht möglich ist, ein StaRUG-Verfahren das richtige Instrument. Mit den sich aus diesem Gesetz ergebenden Mehrheiten können die Gesellschafter, die dem Verlust ihrer Beteiligung nicht zustimmen wollen, erfolgreich gezwungen werden, die Übertragung ihrer Anteile vorzunehmen. Mit dem StaRUG-Verfahren kann dies in wenigen Wochen geschehen. 

 

Unsere Gesprächspartner:

Matthias Grund gehört als Partner der Bank- und Finanzrechtspraxis von K&L Gates an. Als Kreditfinanzierungs- und Kapitalmarktexperte ist er auf krisennahe Situationen spezialisiert.

Georg Bernsau ist seit 2020 Partner in der Restrukturierungs- und Insolvenzpraxis von K&L Gates. Zuvor war er lange Zeit Namenspartner der Sanierungs- und Insolvenzrechtsboutique BBL.

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