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Sinnvolle Verankerung von ESG-Kriterien in Vorstandsverträgen

Thomas Hey
Thomas Hey © Bird & Bird

_ Im vergangenen Jahrzehnt hat eine verstärkte gesellschaftliche Politisierung im Hinblick auf Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft stattgefunden. Der Nachhaltigkeitsbegriff erschöpft sich hierbei schon lange nicht mehr in bloßen ökologischen Überlegungen, sondern adressiert auch soziale sowie ökonomische Faktoren.

Als sinnvoller Standard, nachhaltiges Handeln zu klassifizieren, haben sich heute die ESG-Kriterien etabliert. ESG ist ein Akronym und steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). ESG-Kriterien sind häufig Gegenstand positiven Rechts. Zum Thema Environment finden sich etwa zwingende Regelungen zum Umweltmanagement im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) oder Regelungen zur Vermeidung oder Reduzierung von Emissionen in Luft und Wasser im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Auf sozialer Ebene wird diskriminierungsfreie Chancengleichheit und Diversität mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) angestrebt oder zentrale Arbeits- oder Arbeitnehmerschutzrechte in zwingenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), des Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) oder das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) gesichert. Auf Governance-Seite finden sich etwa Maßnahmen zur Verhinderung von Bestechung und Korruption im Strafgesetzbuch (§§ 333 ff. StGB) oder zur Steuerehrlichkeit in der Abgabenordnung (AO). Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien ist demnach von hoher Relevanz für Unternehmen, finden sich hier zwar zahlreiche Chancen, aber auch nicht wenige Risiken.

Welche Relevanz hat die Berücksichtigung von ESG-Kriterien für Unternehmen?

Die Gesellschaft erwartet von Unternehmen nachhaltiges Handeln, weswegen sich Nachhaltigkeit zu einem Qualitätsmerkmal bei der öffentlichen Wahrnehmung und Wertschätzung eines Unternehmens entwickelt hat. Unternehmen können etwa ihre eigene Marktattraktivität erheblich steigern, indem transparent nachhaltig agiert wird. Denkbare positive Auswirkungen könnten hier beispielsweise eine höhere Preisbereitschaft von Verbrauchern sein oder ein erhöhter Zulauf an qualifiziertem Personal. Auch nehmen Unternehmen, die nachhaltig handeln, gerade in Würdigung der Agenda 2030, ihre soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahr. Die Agenda 2030 enthält 17 von der UN formulierte Ziele, die auf ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungsaspekte gerichtet sind. Neben Chancen gibt es jedoch auch Haftungsrisiken bei nicht- bzw. unzureichender Berücksichtigung von ESG-Kriterien. Um Haftungsrisiken zu minimieren, müssen ESG-Kriterien in Vorstandsverträgen sinnvoll verankert werden.

Wie werden ESG-Kriterien in Unternehmen berücksichtigt?

Über das sogenannte Legalitätsprinzip finden einige ESG-Kriterien automatisch innerhalb von Unternehmen Berücksichtigung. An anderer Stelle stellen sie sich als Binnenpflichten der handelnden Organe dar, die sich aus den vertraglichen Abreden selbst ergeben.

Legalitätspflicht des Vorstandes

Entscheidungen des Vorstands unterliegen dem allgemeinen Geltungsanspruch der objektiven Rechtsordnung. Für börsennotierte oder bestimmte, andere kapitalmarktorientierte Gesellschaften gilt neben den zwingenden Rechtsvorschriften, vor allem aus dem AktG, auch das soft law des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK). Eine herausragende Stellung nimmt gleichwohl § 93 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) ein, wonach Vorstandsmitglieder, und über die Verweisung von § 116 S. 1 AktG auch der Aufsichtsrat, pflichtbewusst handeln müssen. Von einem pflichtbewussten Handeln kann jedoch nur gesprochen werden, wenn Sorge getragen wird, dass das eigene Verhalten, wie auch das Verhalten des Unternehmens, gesetzeskonform ist.

Für unternehmerische Tätigkeiten mit reinem Inlandsbezug gelten vor allem inländische Gesetze, wohingegen bei inländischer Tätigkeit mit Auslandsbezug zusätzlich noch ausländische Gesetz, wie z.B. der UK Modern Slavery Act, berücksichtigt werden müssen. Das soft law des DCGK zeichnet sich dadurch aus, dass es in seinen einzelnen Regelungen nicht zwingend ist. Gleichwohl müssen Vorstand und Aufsichtsrat über § 161 Abs. 1 AktG eine jährliche Entsprechenserklärung darüber abgeben, ob den Empfehlungen des DCGK „entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht“. Der DCGK dient der Konkretisierung des AktG und kann selbstständig keinen Sorgfaltspflichtverstoß begründen.

Werden ESG-Kriterien somit in gesetzlichen Regelungen, z.B. § 87 Abs. 1 S. 2 AktG, berücksichtigt, müssen diese über das Legalitätsprinzip, soweit sie zwingend sind, beachtet werden, um keine Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG zu begründen. Ist die Einhaltung von ESG-Kriterien jedoch nicht gesetzlich vorgegeben, führt dies nicht dazu, dass sie zu bloßen Appellen ohne rechtliche Relevanz bleiben. Vielmehr hat der Vorstand diese nach § 76 AktG zu beachten. Hier müssen die Regeln zur sozialen Verantwortung in den Ermessens- und Entscheidungsspielraum bei der Ausübung von Leitungsfragen berücksichtigt werden, damit neben den Interessen der Aktionäre und der Gesellschaft auch die Interessen der Beschäftigten sowie das Gemeininteresse adäquat berücksichtigt wird.

ESG-Kriterien im Vorstandsvertrag

Neben dem Gesetz kann auch der Vorstandsvertrag Pflichten der Gesellschaftsorgane begründen, ESG-Kriterien zu beachten. Für den Vorstandsvertrag und dessen inhaltliche Gestaltung ist der Aufsichtsrat gemäß § 87 AktG zuständig. Dessen privatautonome Gestaltungsfreiheit wurde im Jahr 2020 durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrichtlinie (ARUG II) und der Neufassung des DCGK zugunsten der ESG-Kriterien beschränkt. Eine Vergütungsstruktur muss nunmehr gemäß § 87 Abs. 1 S. 2 AktG n.F. so gewählt sein, dass diese auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft ausgerichtet ist. Es müssen also wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden.

Der Gesetzesbegründung zu ARUG II lässt sich der gesetzgeberische Wille entnehmen, dass durch die Doppelung der Begriffe „nachhaltig“ und „langfristig“ soziale und ökologische Gesichtspunkte in den Blick genommen werden. Dies muss sowohl für die feste als auch variable Vergütung des Vorstands gelten. Als variable Vergütung werden etwa Boni, Tantiemen oder eine aktienbasierte Vergütung verstanden. Die variable Vergütung besteht häufig aus einer kurzfristigen Komponente (Short-Term-Incentives – STI) und einer langfristigen Komponente (Long-Term-Incentives – LTI).

Nach dem DCGK wird in G.6 empfohlen, die Vorstandsvergütung so zu gestalten, dass der Teil der variablen Vergütung, der sich aus dem Erreichen langfristig orientierter Ziele (LTI) ergibt, den Anteil kurzfristiger Ziele (STI) übersteigt. Diese Wertung findet sich auch in § 87 Abs. 1 S. 1 S. 3 AktG wieder, wonach variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlagen haben sollen. Wie hierbei das genaue Verhältnis von STI und LTI sein soll, ist durch den Aufsichtsrat durch eine pflichtgemäße ex-ante-Prognose zu ermitteln. Durch die Verknüpfung von LTI und ESG-Kriterien kann dem Vorstand ein Anreiz geschaffen werden, eine langfristige und nachhaltige Entwicklung des Unternehmens unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten, wie in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG vorgesehen, zu verfolgen.

Haftung der Organe bei Nicht- bzw. unzureichender Berücksichtigung von ESG-Kriterien

Wird die Vergütung entgegen gesetzlicher Vorgaben festgelegt, liegt ein pflichtwidriges Verhalten des Aufsichtsrats vor, der eine Haftung gegenüber der Gesellschaft auf Schadensersatz nach § 93 Abs. 2, 116 S. 1, 3 AktG begründen kann. Wird etwa eine Vergütungsstruktur des Vorstandes gewählt, ohne auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen, liegt ein unmittelbarer Verstoß gegen § 87 Abs. 1 S. 2 AktG n.F. vor. Dasselbe gilt für den Vorstand gemäß § 93 AktG.

Haftungsbegrenzungen

Begrenzt werden kann diese Haftung des Aufsichtsrats durch die sogenannte Business-Judgement-Rule, die über den Verweis des § 116 AktG auf § 93 AktG für den Aufsichtsrat ebenso wie für den Vorstand gilt. Außerdem kann durch den Abschluss einer Directors‘ and Officers‘ Liability (D&O-Versicherung) das individuelle Haftungsrisiko der Organwalter reduziert werden.

Business-Judgement-Rule

Die Business-Judgement-Rule trägt dem Umstand Rechnung, dass eine unternehmerische Entscheidung von Gesellschaftsorganen regelmäßig eine Prognoseentscheidung darstellt. Demnach ist gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine Pflichtverletzung dann ausgeschlossen, wenn die Entscheidung auf Basis angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft getroffen wurde. Dies gilt nicht für gesetzliche Pflichten. Vor dem Hintergrund der Business-Judgement-Rule ist demnach die sorgfältige Ermittlung von Informationen, auf deren Basis eine unternehmerische Entscheidung getroffen wird, doppelt wichtig.

D&O-Versicherung

Das deutsche Rechtssystem sieht gemäß § 93 Abs. 2 AktG eine Innenhaftung des Organs gegenüber der Gesellschaft vor. Dieses individuelle Haftungsrisiko kann zugunsten des Organwalters dadurch reduziert werden, dass eine D&O-Versicherung mit ihm als versicherte Person abgeschlossen wird. Schwieriger wird die Thematik, sofern dem Organwalter kollusives Verhalten oder grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Hier erfolgt dann eine genaue, individuelle Prüfung.

Fazit

Zwar ist es aktuell ratsam, ESG-Kriterien innerhalb von Vorstandsverträgen zu verankern, gleichwohl ist zu erwarten, dass die rechtliche und gesellschaftliche Relevanz in der kommenden Zeit noch stark steigen wird. Gerade im Hinblick auf eine neue Regierung unter grüner Beteiligung ist mit zwingenden Regelungen zu rechnen.

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