„Grundgeld der Menschheit“
Noch immer steht Gold nicht auf der Einkaufsliste vieler Investoren. Warum sich das bald ändern wird und was Anleger beachten sollten, darüber sprachen wir mit Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH.
Wir befinden uns in einer politischen und wirtschaftlichen Krise. In solchen Zeiten erweist sich Gold oft als sichere Anlageoption. Wie sehen Sie das in der jüngsten Vergangenheit?
Aus meiner Sicht sind die Finanzmärkte nach wie vor relativ zuversichtlich. Der Glaube, die Zentralbanken würden es schon richten, ist bei vielen Anlegern stark ausgeprägt. Das hat vor allem seit August 2020 bis März 2021 die Goldnachfrage und damit auch den Goldpreis belastet. Zudem hat das Interesse an Kryptoeinheiten die Goldnachfrage geschwächt. Seither folgt der Goldpreis allerdings wieder einem langfristigen Aufwärts-trend, der sich, wie ich vermute, fortsetzen wird.
Mal ehrlich, haben Sie nicht auch einen deutlich höheren Goldpreis erwartet, wenn man bedenkt, was so alles in den vergangenen zwei Jahren passiert ist?
Wie gesagt, die Zentralbanken haben es geschafft, das Risikobewusstsein der Marktakteure einzuschläfern. Gold als Absicherungsinstrument stand nicht auf der Einkaufsliste vieler Investoren. Das aber wird sich ändern. Die Schieflage des internationalen Geld- und Kreditsystems wird immer gravierender, und die Hochinflation ist auf dem Vormarsch. Bis das auf den Goldpreis durchschlägt, ist nur eine Frage der Zeit.
Wovon hängt der Goldpreis mittlerweile wirklich ab? Was hat sich zu den Vorjahren verändert?
Neben der industriellen spielt natürlich auch die monetär-motivierte Goldnachfrage eine wichtige Rolle. Und hier ist es vor allem das Vertrauen in das ungedeckte Geld, insbesondere das Vertrauen in den US-Dollar, das eine hohe Bedeutung für den Goldpreis hat. Gold ist, wie ich zu sagen pflege, das „Grundgeld der Menschheit“, und ich vermute, dass das auch immer mehr Menschen erkennen werden und auf Gold statt auf ungedecktes Papiergeld setzen. Das sollte den Goldpreis steigen lassen.
Wie sollen Anleger am besten in Gold investieren, physisch oder doch besser indirekt?
Ich empfehle, Gold in physischer Form zu halten. Das ist einfach und sicher. Vor allem unterstützt das nicht den „Papiergoldmarkt“, der ja, wie bereits gesagt, ein zweifelhaftes Element im Markt für Edelmetalle ist. Für Institutionelle ist der Kauf von ETF-Gold häufig die einzige Möglichkeit, sich im Spot-Goldmarkt zu positionieren. Man sollte aber sicherstellen, dass der ETF zu 100% mit physischem Gold gedeckt ist.
Die Nachhaltigkeitsdebatte hat mittlerweile auch Gold-Investments erreicht. Wie gut funktioniert ESG hier in der Praxis, sind die Kosten nicht enorm?
Viele Minenbetreiber schreiben ESG groß, allein schon, weil es erforderlich ist, um an institutionelles Kapital zu gelangen. Es gibt zudem viele Brancheninitiativen, um dem Nachhaltigkeitsaspekt im Markt für Gold Rechnung zu tragen.
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