Investment-Ausblick

Der Kapitalmarkt-Zyklus geht in die Verlängerung

Union Investment-Vorstand Jens Wilhelm
Union Investment-Vorstand Jens Wilhelm © Union Investment

Schwache Konjunktur und Aktienmärkte im Höhenflug – wie passt das zusammen? Während die Weltwirtschaft noch unter den Schleifspuren des Handelskriegs zwischen den USA und China leidet, wird an der Börse, befeuert von einer noch laxeren Geldpolitik der Zentralbanken, bereits die Zukunft gehandelt.

US-Präsident Donald Trump wird mit Blick auf seine angestrebte Wiederwahl 2020 noch in diesem Jahr einen Handelsdeal mit China abschließen, gibt sich Union Investment-Vorstand Jens Wilhelm zuversichtlich. Auch die angedrohten Autozölle gegen Europa seien mittlerweile vom Tisch. Zu beobachten sei der Kursschwenk Trumps zudem im Iran-Konflikt, von dem zuletzt kaum noch etwas zu hören war. Für China ist Trump denn auch der bessere Kandidat, so Wilhelm. Denn die Parteilinke Elizabeth Warren, die im Rennen der demokratischen Trump-Herausforderer in einigen Umfragen derzeit die Nase vorn hat, sei für Peking noch unberechenbarer als der republikanische Amtsinhaber. Diese Einschätzung werde auch an der Börse geteilt, für die Warren geradezu ein Schreckgespenst ist.

Die Handelskonflikte haben die Weltwirtschaft einen Prozentpunkt Wachstum gekostet. Am härtesten hat es dabei das exportlastige Deutschland getroffen. Deutschland trägt die rote Laterne in der Eurozone. Da von China, das anders als noch 2015 nicht mehr gewillt ist, mit massiven staatlichen Investitionen gegenzusteuern, keine Hilfe zu erwarten sei, brauche die Eurozone dringend einen fiskalischen Impuls, fordert Wilhelm. Der Kapitalmarktstratege ist deshalb auch davon überzeugt, dass der Stabilitätspakt 2020 gebrochen wird. Keine Sorgen macht sich Wilhelm um die US-Konjunktur, die im nächsten Jahr um 1,6% wachsen werde. Der private Konsum in den USA bleibe weiterhin stark und der Dienstleistungssektor robust.

Mit Fed-Chef Jerome Powell und der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde stünden zwei Pragmatiker an der Spitze der wichtigsten Notenbanken, die auf einen engeren Schulterschluss zwischen Geld- und Fiskalpolitik drängen werden. Die ehemalige IWF-Chefin sei ein echter Glücksgriff für die EZB, jubelte Wilhelm. Den Investoren empfiehlt der Kapitalmarktprofi, weiter „Risk-on“ zu bleiben. Denn der Kapitalmarktzyklus gehe 2020 in die Verlängerung. Allerdings bleibe es nötig, neue Performance-Quellen zu erschließen.

Die sieht Wilhelm vor allem in Aktieninvestments, ohne die es erneut schwer werde, höhere Erträge zu erzielen. Angesichts der Konjunkturflaute seien die Gewinnerwartungen bei Aktien zwar noch zu hoch, allerdings hätten die Zahlen für das dritte Quartal gezeigt, dass sich die Unternehmensgewinne erstaunlich robust gehalten haben. Um von einer möglichen Konjunkturerholung zu profitieren, sollten Anleger ihre Aktiendepots verstärkt auf zyklische Werte ausrichten. Als geopolitischen Hedge empfiehlt Wilhelm Öl-Investments. Immobilien bleiben auch 2020 ein Fokusthema für Anleger. Allerdings leide die Assetklasse zunehmend unter der Renditekompression. Für Renten werde es im kommenden Jahr nicht leichter, auch wenn das Zinstief hinter uns liegt. Die Dollar-Aufwertung gehe allmählich zu Ende, prophezeit Wilhelm. Das eröffne neue Chancen in den Emerging Markets.

Nicht fehlen dürfen in Wilhelms Aufzählung der Investmentchancen für 2020 die nachhaltigen Anlagen, denen sich die Union Investment besonders verschrieben hat. Mit einem konkreten Kriterienkatalog für Anlagen in Environmental, Social and Governance (ESG), den alle Finanzmarktakteure künftig berücksichtigen sollen, mache die Brüsseler Regulatorik Druck, um nachhaltigen Investments zum Durchbruch zu verhelfen. Während die Niederlande, Skandinavien und Großbritannien bei der ESG-Umsetzung die Nase vorn haben, bestehe in Deutschland noch Nachholbedarf. Doch auch bei uns werde das Thema im kommenden Jahr an Dynamik gewinnen, ist sich Wilhelm sicher.

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