Japan bleibt auf seinem Sonderweg
Kuroda bleibt hart, der Yen nicht _ Allmählich taucht auch in Japan das Gespenst der Inflation in den offiziellen Zahlen des Landes auf. In der Hauptstadt Tokio ist die Kernrate der Verbraucherpreise im September ggü. dem Vj. um 2,8% gestiegen, so stark wie seit 2014 nicht mehr. Der Preisanstieg liegt damit im vierten Monat in Folge über dem Inflationsziel der Bank of Japan (BoJ) von 2%.
Damit mehren sich auch die Zweifel an der offiziellen BoJ-Lesart, nach der die höhere Inflation nur von Einmalfaktoren getrieben und temporär sein werde. Ende Oktober (27./28.10.) wird Notenbankchef Haruhiko Kuroda, der bislang eisern und allen Yen-Abschwächungen zum Trotz an der Niedrigzinspolitik festhält, mit seinen Kollegen die neuesten Prognosen der Notenbank-Experten zu Wachstum und Inflation besprechen.
Denn anders als sein Fed-Kollege Jerome Powell in den USA sorgt sich Kuroda zu sehr davor, die eher schwache Nachfrage im Land – der private Konsum macht 54% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus – durch eine zu frühe Straffung der Geldpolitik abzuwürgen. Beobachter gehen daher davon aus, dass Kuroda, dessen zweite Amtszeit als Notenbankchef 2023 endet, seinen geldpolitischen Sonderweg fortsetzen wird. Dafür gibt es auch gute Gründe: Während die Inflation in Europa von den hohen Energiepreisen und in den USA v. a. nachfragegetrieben ist, steigen in Japan die Gehälter kaum und die Unternehmen geben die höheren Erzeuger- und Importpreise nur sehr zögerlich an die Konsumenten weiter. Auf nationaler Ebene liegt die Kerninflation (ohne Lebensmittel- und Energiepreise) daher nur bei 0,4%.
Japans Unternehmen liefert die Niedrigzinspolitik der BoJ gleich doppelt Rückenwind: Die Refinanzierungsbedingungen für neue Wachstumsinitiativen bleiben niedrig und der schwache Außenwert des Yen macht die Exporte japanischer Auto- und Hightech-Firmen im Ausland deutlich konkurrenzfähiger. Daher investieren die Unternehmen aus dem Land der aufgehenden Sonne derzeit auch verstärkt in die Digitalisierung, um sich noch zukunftsfähiger aufzustellen. Elektronikanbieter tätigen größere Investitionen in die Halbleiterproduktion, Autobauer stellen sich auf die Elektrifizierung und den Klimaschutz ein. Versorger investieren in Erneuerbare Energien, denn bis 2030 soll deren Anteil von 22% (2021) auf 36 bis 38% klettern.
Das alles hat zur Folge, dass in Japan die Folgen der Pandemie schnell überwunden sein dürften. Mit den Lieferketten hat Tokio ohnehin nicht die gleichen Probleme wie andere Regionen: Als der Streit mit China im Jahr 2010 um eine unbewohnte Inselgruppe nördlich von Taiwan, die zu Japan gehört, eskalierte, stoppte China seine kompletten Seltene-Erden-Exporte nach Japan. In der Folge hat Tokio seine Lieferketten diversifiziert und unterhält u. a. eine Rohstoffagentur, die mit über 600 Mitarbeitern und einem Budget von umgerechnet 12 Mrd. Euro die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen durch eine diversifizierte Einkaufspolitik gemindert hat. Auch Unternehmen wie Mitsubishi Electric oder Toyota haben inzwischen große Summen in die Wertschöpfungskette investiert und sich den Zugriff auf zentrale Rohstoffe gesichert. Kein Wunder, dass internationale Institutionen wie der IWF bislang davon ausgehen, dass Japans Wirtschaft 2023 ein BIP-Wachstum von 2,3% verzeichnen wird.
Japan und seine von strukturellen Wachstumstrends begünstigten Hightech-Unternehmen gehören in jedes Anlegerdepot.
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