Hauptversammlungen – Leiter mit zu viel Macht
Auf HVs wie von Bayer, Daimler oder VW war der frühere DWS-Chef Christian Strenger auch dieses Jahr als Vertreter privaten Aktienbesitzes ein scharfzüngiger Redner. Bei Bayer machte Strenger mit seinem Antrag auf Nichtentlastung des Vorstands um Werner Baumann, dem sensationelle 55,52% der Aktionäre folgten, sogar über Grenzen hinweg Furore. Doch Strenger wird es von den HV-Leitern, das sind zumeist die AR-Chefs, selten leicht gemacht. Teilweise grenze die Behandlung an Schikane, indem der von der Unternehmensleitung gefürchtete Wortbeitrag nach hinten geschoben werde, klagt uns Strenger aus eigenem Erleben.
Nun muss man wissen, dass auf HVs auch Querulanten ohne Inhalte ihr Unwesen treiben. Von dieser Spezies grenzt sich Strenger durch seine intelligente Argumentation und oft brillante Diktion ab, muss unter Macht und Willkür des Versammlungsleiters dennoch leiden. Dieses Jahr vor allem bei VW, wo ihm Hans Dieter Pötsch mehrfach ins Wort fiel. Strenger wirft der Führung des Autokonzerns vor, „auch 2018 keine angemessenen und wirksamen Maßnahmen getroffen zu haben, um den Dieselskandal endlich überzeugend und transparent aufzuklären“. Strengers fünf Gegenanträge sorgten anders als bei Bayer angesichts der Übermacht der Familien Porsche und Piëch sowie Niedersachsens nur für Nadelstiche. Am gnädigsten geht Strenger mit Daimler und AR-Chef Manfred Bischoff („origineller Typ“) um, der entspannt bleibt, auch wenn es haarig wird und Ärgerthemen wie drohende Kartellstrafen aufgegriffen werden. Strenger gehört zu den wenigen, die den hohen Herren offensiv die Stirn bieten, was ihm regelmäßig viel Beifall des Streubesitzes einbringt. Die „übermäßige Freiheit des Versammlungsleiters“, kritische Aktionäre auf die lange Bank zu schieben, sähe er gern beschnitten. Um das durchzusetzen, werde aber wohl ein Gerichtsverfahren erforderlich sein. Die neuen Benimmregeln für Unternehmen (s. Artikel weiter oben) sieht Corporate Governance-Experte Strenger kritisch. Die Kommission um Rolf Nonnenmacher sei als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Die Anpassungen bei den Vorstandsvergütungen seien mit ARUG II quasi bis 2022 auf die lange Brüsseler Bank geschoben.
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