Finanzkriminalität – Noch mehr Chaos durch Regierungspläne

Strategien passen nicht zusammen _ Worum es bei politischen Initiativen eigentlich geht, verrät manchmal das Timing. Als Christian Lindner im Sommer plötzlich ein Eckpunktepapier zur Bekämpfung von Finanzkriminalität und Sanktionsverstößen aus der Tasche zog, geschah das wenige Tage vor der Präsentation des FATF-Befunds zum Thema Geldwäsche in Deutschland.
Tatkraft und Entschlossenheit zu demonstrieren, bevor die OECD-Taskforce wieder einmal die mangelhaften Vorkehrungen hierzulande abwatschen würde, war also schlicht Lindners Art der Vorwärtsverteidigung (s. PLATOW v. 26.8.). Mit seinen Plänen für eine neue Zentralbehörde („Bundesfinanzkriminalamt“) beschäftigt sich nun der Ministerialapparat. Bis tatsächlich etwas passiert, dürfte schon die nächste Legislaturperiode heraufziehen.
Etwas weniger offensiv hatte Innenministerin Nancy Faeser ihre eigene Initiative getaktet, die vergangenes Wochenende mit öffentlichen Überlegungen zu einem 10 000 Euro-Limit für Bargeldzahlungen begann. Im BMI-eigenen Strategiepapier zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, präsentiert auf der BKA-Herbsttagung, war dann zwar von enger Kooperation der Ermittler mit „verschiedenen Akteuren der Finanzwelt“ die Rede. Die Lindner-Pläne dagegen fanden keine Erwähnung, das kommende Sanktionsdurchsetzungsgesetz II nur ganz am Rande, und auch sonst hielt sich das Faeser-Papier recht genau an die Außengrenzen des BMI-Kompetenzbereichs.
Für die tatsächliche Bekämpfung von Finanzkriminalität bedeutet dieses Nebeneinander nichts Gutes, sorgte sich ein angesehener Geldwäscheexperte im Gespräch mit PLATOW; „die Ministerien sprechen offenbar nicht miteinander. Die Pläne passen nicht zusammen und widersprechen sich in etlichen zentralen Punkten.“ Als besonders heikel sieht er die Vielzahl der involvierten Behörden, deren Zuständigkeiten schon heute nicht klar abgegrenzt seien. „Jetzt noch langwierig zusätzliche Parallelstrukturen aufzubauen, hilft auch nicht weiter“, urteilt er. Erforderlich sei vielmehr eine Bündelung der Kompetenzen, am besten bei einer bereits vorhandenen Behörde mit ausreichend Personal und entsprechenden Durchgriffsmöglichkeiten.
Der potenziell bedeutendste Fortschritt findet sich bisher nur in Faesers Strategie: die Möglichkeit zur schnellen Beschlagnahmung verdächtiger Vermögen, wie sie von Experten propagiert und in Italien und anderen Ländern längst erfolgreich praktiziert wird. Die FDP-Finanz- und Justizminister sind wegen verfassungsrechtlicher Bedenken strikt dagegen.
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