Leitmedien – Rückenwind durch Digitalisierung
Deutschland hat große Defizite in der Digitalisierung, etwa im Gesundheitswesen, in Schulen oder der öffentlichen Verwaltung. Auf den Privatsektor trifft dieser Vorwurf in der Breite nicht mehr ohne Weiteres zu.
Bei Banken sehen wir weiteren Handlungsbedarf. Am wenigsten freilich bei den Medien, die weltweit als eine der ersten Branchen von den veränderten Ansprüchen in einer digitalisierten Welt überrollt wurden.
Verlage, deren Printgeschäft seit Jahren unter Druck steht, haben entsprechend aufgerüstet. Das Digitalgeschäft steuert inzwischen substanziell zu Umsatz und mehr noch Ergebnis bei. Sogar die ehrwürdige „FAZ“ ließ ihre Leserschaft kürzlich wissen, dass der Anteil des Digitalgeschäfts an den Gesamterlösen im laufenden Jahr bereits auf 25 (Vj.: 21)% gestiegen sei und 35% zum Ergebnis beisteuere. Neben den Vorteilen aus erheblichen Digitalisierungsanstrengungen profitieren vor allem die als seriös geltenden Medien von einem Vertrauensvorschuss, der ihnen in einer Zeit mit Fakenews, wie sie von Donald Trump und anderen Populisten verbreitet werden, verstärkt entgegengebracht wird.
Vor allem sogenannte meinungsstarke Leitmedien haben ihren Einzelverkauf zuletzt nach langer Unterbrechung wieder steigern können. So berichtete kürzlich ebenfalls die „FAZ“ in eigener Sache über einen Auflagenzuwachs im Q2 gegenüber der Vergleichszeit des Vorjahres von immerhin 10,1%. Andere Verlage machen ähnlich Erfahrungen. Rückenwind bekommt die Branche auch in der Pandemie, wo das Interesse an verlässlichen Quellen und gut recherchierten Informationen deutlich gewachsen ist. Das gilt auch für junge, gut ausgebildete Menschen, die wieder verstärkt zur Zeitung greifen und dabei die inzwischen von den Verlagen zur Verfügung gestellten sehr komfortablen Möglichkeiten im Netz nutzen.
Führend auf dem Gebiet ist unter den Wirtschafts- und Finanzzeitungen die „Financial Times“. Sie bietet einen vorbildlichen Digitalauftritt und punktet inhaltlich mit exklusiven Informationen (Beispiel: Wirecard). Eine technologisch sehr aufwändige und in ihrer Wirksamkeit sehr effiziente Paywall verbindet Komfort bei der Nutzung für zahlende Abonnenten mit der Abwehr von „Trittbrettfahrern“. Das Prinzip, dass Recherchearbeit einer freien Presse zur Wahrheitsfindung und zum Erhalt der Demokratien wichtig ist und deshalb einen Preis haben muss, wird in einem Zeitalter mit an Einfluss gewinnenden autokratischen Systemen (China, Russland, Iran, Saudi-Arabien) goutiert.
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