Briten am Scheideweg – Auf die lange Bank
Es war ein wohl letzter Freundschaftsdienst, den EU-Ratspräsident Donald Tusk der vom eigenen Parlament gedemütigten britischen Premierministerin Theresa May erwies. Beim nächsten EU-Gipfel am 21.3. will sich Tusk bei den anderen 27 Mitgliedsstaaten für eine lange Verschiebung des ursprünglich für den 27.3. geplanten Austrittstermins um 12 Monate stark machen, damit die Briten genügend Zeit bekommen, um noch einmal über den Brexit nachzudenken.
Der Preis für eine solche Fristverlängerung dürfte für die Briten indes extrem hoch sein. Sie müssten sich an der im Mai stattfindenden Europawahl beteiligen, die EU-Regeln weiterhin einhalten und ihre Beiträge zahlen, sollen aber in Brüssel nicht mehr mitreden dürfen. Nachdem das britische Unterhaus gegen den Willen der Premierministerin einen EU-Austritt ohne Abkommen ausgeschlossen hat, ist die langfristige Verschiebung des Abschiedstermins für May die ultimative Giftpille gegen die Brexit-Ultras in ihrer eigenen Tory-Fraktion, an denen der Austrittsvertrag bereits zweimal im Parlament gescheitert ist. Tatsächlich dürften weitere 12 Monate in der EU mit der Aussicht, dass der Brexit dann endgültig scheitern könnte, für die Austrittshardliner kaum eine akzeptable Option sein. May will deshalb bis zum 20.3. erneut über ihren Deal abstimmen lassen. Ob die Brexit-Ultras dann einknicken und den Austrittsvertrag zähneknirschend durchwinken, ist allerdings ungewiss. Sollte Mays Brexit-Deal auch im dritten Anlauf im Unterhaus durchfallen, würde sie beim EU-Gipfel wohl die Fristverlängerung um 12 Monate beantragen und danach von ihrem Amt als Premierministerin zurücktreten. Denn in Großbritannien dürfte dann alles auf ein zweites Brexit-Referendum oder vorgezogene Neuwahlen hinauslaufen, um die politische Blockade im Unterhaus endlich aufzulösen. Beides hat May bislang stets ausgeschlossen. Die vergangenen Tage im Ringen um den Brexit haben May erkennbar schwer zugesetzt. Mays heisere Parlamentsauftritte wirkten fast wie ein Omen, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Allerdings ist derzeit kaum jemand erkennbar, der sich als Mays Nachfolger aufdrängen würde und das Zeug dazu hat, das tief gespaltene Land wenigstens einigermaßen zu versöhnen.
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