Handel – Neue Realität statt alter Rivalität

Umdenken gefragt _ 2022 war ein hartes Jahr im Handel – mit überraschender Entwicklung. Erstmals seit Jahren geht dem boomenden E-Commerce die Puste aus (Umsatz Okt./Nov.: -16,8%). Eine kurze Verschnaufpause oder hat sich das digitale Kauferlebnis abgenutzt? Und können die stationären Läden davon profitieren? Immerhin stellt der HDE ihnen auch 2022 Wachstum in Aussicht (nominal +9,3%), den Onlineshops dagegen ein Umsatzminus (-2,3%).
Weder der HDE noch Branchenexperte Hansjürgen Heinick vom IFH KÖLN sehen in der aktuellen Situation jedoch ein Comeback der klassischen, stationären Läden. Die Schwäche des E-Commerce sei einzig der starken Verbraucherzurückhaltung geschuldet. Der stationäre Handel wachse nur über die inflationsbedingt gestiegenen Preise, so der Handelsverband. Auch Heinick bekräftigt im PLATOW-Gespräch das temporäre Stocken der Onlinehandels. Schon 2023 erwartet er aber wieder Aufwind und die Rückkehr zum alten Erfolgstrend beim Online-wachstum. Auf dem deutlich höheren Umsatzniveau werden die Wachstumskurven etwas flacher ausfallen, als noch vor Corona erwartet wurde, mutmaßt der Branchenkenner.
Folglich haben sich auch die Aufgaben der stationären Händler nicht geändert. Sie müssen weiter aktiv Anreize schaffen, um Kunden in die Läden zu locken. Nach der Pandemie zeigt sich aber: Die Menschen wollen durchaus noch in Geschäfte gehen, wenn es dort etwas zu erleben gibt, sagt Heinick. Dass die Anzahl der Stores wieder alte Niveaus erreicht, hält er für äußerst unwahrscheinlich. Im 1. Hj. 2022 zogen die Einkaufsstraßen im Land zwar mehr Kundschaft an als 2021, das 2019er-Niveau wurde dabei aber nicht erreicht.
Hinzu kommt, dass die Einkaufswelten verschmelzen (Stichwort Omnikanal-Handel). Stationäre drängen mit eigene Onlineshops, auf digitalen Marktplätzen und über Soziale Medien ins Internet. „Das Virtuelle braucht es heute zur Sichtbarkeit“, betont Heinick. Wo der Umsatz gemacht wird, spielt damit nicht mehr die kompetitive Rolle wie früher. Und: „Beide Verkaufskanäle haben mit den Auswirkungen der Energiekrise auf das Kaufverhalten der Verbraucher zu kämpfen“, bekräftigt der HDE. Statt in alter Rivalität zu verharren, geht es darum, die neue Realität zu gestalten. Heinick rät größeren Playern auch dazu, den Handel stärker als Gesamtkonzept zu denken, in dem ein Produkt über alle Wege vertrieben wird, sich die Kanäle aber jeweils rechnen müssen.
ARTIKEL DIESER AUSGABE
Schleweis-Nachfolge – Buchholz will nicht klein beigeben
Eine Kampfabstimmung um die Nachfolge von DSGV-Präsident Helmut Schleweis (68), dessen Amtszeit Ende 2023 abläuft, will die Sparkassen-Organisation unbedingt vermeiden. Soll der Schleweis-Nachfolger… mehr
US-Inflation – Börse wittert Morgenluft
Einen Tag vor der Fed-Sitzung an diesem Mittwoch (14.12.) hat das US-Arbeitsministerium mit den Inflationszahlen für November den Notenbankern den letzten wichtigen Datenpunkt für ihre… mehr
Fusionsfieber bei Sparkassen und Genossen dürfte anhalten
Bei hiesigen Kreditinstituten lief es schon schlechter. Allerdings müssen sich die Banken auf den durch hohe Inflation, Konjunktureinbruch, geopolitische Spannungen und weiterhin gestörte… mehr
Deutsche Firmen wappnen sich für Liquiditätsengpässe
Ein solcher Ausfall kommt zugegebenermaßen so gut wie nie vor. Trotzdem zeigt der über Nacht geplatzte Verkauf des Leoni-Kabelgeschäfts an den thailändischen Strategen Stark, wie schnell… mehr
China – Warum die Stabilität des Systems nicht in Gefahr ist
Was in China passiert, ist wegen seiner großen Relevanz für die Weltwirtschaft für jeden Unternehmer von großer Bedeutung. Hier unsere Skizze der aktuellen Lage: mehr
Berenberg – Aus die Maus
Anfang des Jahres tönte die Hamburger Privatbank Berenberg noch von ihren Expansionsplänen im Investmentbanking, bis zu 100 Stellen wollte sie insgesamt im In- und Ausland aufbauen.… mehr
Maschinenbau – Viele Baustellen, aber keine Krise
Wenn von deutscher Ingenieurskunst und Mittelstand geredet wird, dann ist gerade der vielen Gegenwinden ausgesetzte Maschinen- und Anlagenbau gemeint. Dieses Jahr soll es noch für ein… mehr
Gothaer – Sweet Spot Mittelstand
Der Hinweis von Vorständin Sylvia Eichelberg, das 15. Unternehmen aus der DAX-Familie (diese umfasst insgesamt ca. 160 Unternehmen) sei nunmehr Kunde der Gothaer Kranken geworden, war… mehr
Hohe Haftstrafe für Cum-Ex-Architekt Berger
Er gilt als der Spiritus Rector hinter den Aktiendeals rund um den Divenden-Stichtag. Jetzt hat das Landgericht Bonn den Steueranwalt Hanno Berger wegen Steuerhinterziehung in drei… mehr