Fonds – Ängstliche Privatkunden drücken das Neugeschäft
Deutschland ist bei ESG-klassifizierung vorsichtig _ Auf den ersten Blick hat die deutsche Fondsindustrie im Jahresauftaktquartal keinen Grund zum Jammern. Die Fondsgesellschaften erzielten im Q1 ein Neugeschäft von netto 45,1 Mrd. Euro. Allein im Januar verzeichneten Publikums- und Spezialfonds mit insgesamt 30,3 Mrd. Euro einen Rekordzufluss zum Jahresstart, wie die jetzt veröffentlichten Zahlen des Branchenverbands BVI zeigen.
Doch dann nahm die Talfahrt ihren Lauf. Der Einbruch der Aktienmärkte von Mitte Februar bis Anfang März angesichts des Ukraine-Kriegs dämpfte das Neugeschäft erheblich. Im Februar flossen Fonds nur noch 13 Mrd. Euro zu, allerdings fast ausschließlich in Spezialfonds. Hier spiegelt sich die Angst der Privatanleger wider, die zunächst abwartend reagierten und mit Sorge auf die weitere Entwicklung auf den Kapitalmärkten blickten. So sammelten Spezialfonds im März lediglich 6,4 Mrd. Euro ein, aus Publikumsfonds flossen sogar 2,7 Mrd. Euro ab. Hierbei standen Zuflüsse in Mischfonds (2,6 Mrd. Euro) Rückflüssen aus Aktienfonds (2,6 Mrd.) und Geldmarktfonds (2,2 Mrd.) gegenüber. Im Vergleich zum Frühjahr 2020 ist die jüngste Entwicklung aber nur ein laues Lüftchen. Im Corona-Crash-Monat März 2020 zogen Anleger aus Publikumsfonds 21,5 Mrd. Euro ab.
Der deutsche Fondsmarkt zeigt sich aber im europäischen Vergleich beim Neugeschäft robust. Nach Angaben von Morningstar ist der Absatz von Publikumsfonds, die in Europa aufgelegt wurden, von 235 Mrd. Euro im Q1 2021 auf 51 Mrd. Euro im Q1 2022 zurückgegangen. Das ist ein Einbruch um knapp 80%. In Deutschland hat sich der Absatz solcher Fonds im Vergleich zum Vj.-Zeitraum lediglich halbiert.
In Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen managt die Branche insgesamt 683 Mrd. Euro. Das sind 19% des Gesamtvermögens von Publikums- und Spezialfonds. Bei Publikumsfonds beträgt der Anteil 40%. Im Vergleich zu anderen Fondsmärkten ist der ESG-Anteil eher gering. In Frankreich liegt er bei 69%. In der EU entfallen im Schnitt 44% des Publikumsfondsvermögens auf Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen. Offensichtlich sind die Fondsgesellschaften in Deutschland bei der Klassifizierung ihrer Fonds als nachhaltig im Sinne der Offenlegungsverordnung vorsichtiger als ihre Kollegen im Ausland, die ihre Fonds deutlich offensiver als nachhaltig im Sinne der Verordnung deklarieren.
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