EZB sagt Zinswende ab – Draghi hat kalte Füße bekommen

Vergangene Woche hatte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann noch zu Geduld mit den geldpolitischen Pferden gemahnt. Die Wachstumsdelle sei zwar hartnäckiger als erwartet, für Schwarzmalerei bestehe jedoch kein Anlass. Doch EZB-Präsident Mario Draghi wollte nicht mehr länger stillhalten. Zu gefährlich erschien Draghi die derzeitige Wachstumsflaute in der Euro-Zone, die zunehmend auch auf die Inflation drückt. Auf der Ratssitzung am Donnerstag beschloss die EZB, ihren Zinsausblick (Forward Guidance) zu ändern. Demnach sollen die Leitzinsen nunmehr bis über das Jahresende 2019 hinaus auf ihrem Rekordtief verharren. Damit legt die EZB die Zinswende bis ins nächste Jahr hinein auf Eis und passt ihre Forward Guidance an die von ihr maßgeblich beeinflusste Markterwartung an. Bislang hieß es, dass die Leitzinsen mindestens den Sommer 2019 hindurch unverändert bleiben.

Doch damit nicht genug. Draghi verkündete zudem, dass ab September ein neues Langfrist-Kreditprogramm für Geschäftsbanken (TLTRO-III) starten soll, das bis März 2021 läuft. Die neue Geldspritze soll die alten TLTRO-Programme ablösen, die demnächst auslaufen. Davon profitieren vor allem die Banken in Draghis Heimatland Italien, die sich seinerzeit mit reichlich EZB-Liquidität vollgesogen hatten, die bis heute kaum abgebaut wurde. Die Munition für Draghis geldpolitischen Aktionismus lieferten dem EZB-Chef die hauseigenen Volkswirte. In den neuesten Stabsprojektionen kappten die EZB-Ökonomen die Wachstumsprognose für 2019 drastisch auf 1,1%. Im Dezember erwarteten sie noch 1,7%. Auch der Inflationsausblick für das laufende Jahr wurde deutlich von 1,6 auf 1,2% abgesenkt. Die nun vollzogene geldpolitische Kehrtwende hatte Draghi bereits im Januar angedeutet, dennoch überrascht die Eile des im Oktober aus dem Amt scheidenden EZB-Chefs. Sollte sich die Konjunktur doch schneller erholen als von Draghi erwartet, kann er aber immer noch behaupten, dies sei seinem beherzten Eingreifen zu verdanken.

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