Kühnerts Sozialismus-Thesen – ein Gespenst geht um
Es ist schon erstaunlich, welche Wellen die Forderungen von Juso-Chef Kevin Kühnert nach einer „Kollektivierung“ von BMW sowie einer Begrenzung des Wohneigentums auf die unmittelbaren Nutzer schlagen. Bevor Kühnert das Ruder bei den Jusos übernahm kannte außerhalb der SPD kaum jemand die Namen seiner Amtsvorgänger und die Forderungen der Jungsozialisten wurden nicht einmal in der Mutterpartei sonderlich ernst genommen.
Doch seit Kühnert mit seiner NoGroKo-Kampagne die Parteispitze vor sich hertrieb und in den einschlägigen TV-Talkshows herumgereicht wurde, hat sich der Juso-Chef einen Einfluss verschafft, wie ihn die SPD-Jugendorganisation schon sehr lange nicht mehr hatte. Das mag auch daran liegen, dass Kühnert mit seinen geschickt lancierten Kampagnen einen empfindlichen Nerv trifft. Das gilt nicht nur für seinen Kampf gegen die GroKo, der die SPD bis heute tief gespalten hat, sondern auch für seine jüngsten Sozialismus-Thesen. Seit der Milliardär und US-Präsident Donald Trump im Kernland des Kapitalismus Globalisierungskritik salonfähig gemacht hat, machen sich auch in der führenden Exportnation Deutschland Zweifel am Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft zunehmend breit. Kapitalismuskritik fällt längst nicht mehr nur bei den üblichen Verdächtigen am linken und rechten Rand des politischen Spektrums auf fruchtbaren Boden. Mit dem Untergang der Sowjetunion und der Marktöffnung Chinas hat sich der Wettbewerbsdruck nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Arbeitnehmer und Selbständigen massiv erhöht. Das schafft Existenzängste, von denen bislang vor allem die Rechtspopulisten der AfD profitieren. Auf dieses Potenzial scheint nun auch Kühnert zu zielen. Tatsächlich ist dieses von der Sozialen Marktwirtschaft frustrierte Klientel für die von der SPD propagierte klassische Sozialpolitik kaum zu begeistern, wie die schwachen Umfragewerte der Sozialdemokraten belegen. Kühnert sucht denn auch wie zuvor schon Grünen-Chef Robert Habeck die Nähe zur der vor allem in Berlin populären Kampagne für eine Enteignung der großen Wohnungsbau-Konzerne. Die nachlassende Anziehungskraft der Sozialen Marktwirtschaft treibt mittlerweile auch führende Industrievertreter wie BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang um. Soziale Marktwirtschaft sei mehr als nur eine leere Hülle und müsse gelebt werden, fordert Lang. Tatsächlich ist die Soziale Marktwirtschaft längst nicht mehr die Verheißung wie noch in den Wirtschaftswunderjahren.
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