Wirtschaftskanzleien gründen eigenen Verband

Ein Selbstläufer war das Projekt sicher nicht. Zwar vermissten viele Anwaltskanzleien in Deutschland schon lange eine Interessenvertretung, wie sie einer kleinen, aber finanzkräftigen Branche eigentlich anstünde. Trotzdem fanden die ersten Anläufe, die die Verbandsinitiatoren Stefan Rizor und Thomas Wegerich vor rund einem Jahr unternahmen, gemischtes Echo.

Die Gegner zweifelten an der politischen Schlagkraft der beiden, taten sich schwer mit der Kosten-Nutzen-Relation und sahen ein großes Risiko: Wer Konzerne wie Apple, Daimler oder Thyssenkrupp in Kartellsachen vertritt, sollte nicht selbst in Klüngel-Verdacht kommen.

Dass Ende März dann doch eine ganze Reihe von Sozietäten bei der konstituierenden Sitzung des Bundesverbands der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD) dabei waren, können Rizor und Wegerich also als persönlichen Triumph feiern – auch wenn viele Top-Kanzleien fehlen. „Wenn gleich zu Anfang 32 nicht unwichtige Kanzleien dabei sind, erfüllt der Verband ganz offensichtlich ein Bedürfnis“, konzediert der frühere Linklaters-Managing Partner Markus Hartung, der Kanzleien strategisch berät und regelmäßig an berufsrechtlichen Initiativen mitarbeitet.

Tatsächlich ist die BWD-Struktur geschickt auf Konsens angelegt: Im Vorstand sind Kanzleien unterschiedlichsten Zuschnitts, was die Frage beantwortet, ob der BWD eher große Anwaltsfabriken oder kleine Partnerschaften vertritt. Ein Beirat aus gut einem Dutzend Unternehmensjuristen fungiert als Bindeglied zu deren eigenen Standesorganisationen. Harmonisch sieht der BWD auch sein Verhältnis zum Deutschen Anwaltverein (DAV). Dessen Traditionalismus hatte erst den Anlass zur Gründung eines neuen Verbands gegeben, und inhaltlich liegen die Positionen oft weit auseinander. Wie man in Politik und Öffentlichkeit Gehör findet, weiß der DAV dafür gut.

Allerdings hat der DAV in der Zwischenzeit auch ein eigenes „Forum für Wirtschaftskanzleien“ gestartet, um den Anliegen der Branche eine Plattform zu bieten. Auf der ersten, rein virtuellen Sitzung des Forums am 7. April wurden zwar noch keine weiteren Inhalte diskutiert, wie aus dem Teilnehmerkreis zu hören war. Der DAV kündigte aber bereits an, künftig Themen wie Geldwäsche oder die Rechtsform von Kanzleien anzugehen, denn: „Viele Themen, die für die Wirtschafts­kanzleien wichtig sind, berühren die gesamte Anwalt­schaft“.

Branchenkenner Hartung ist dennoch skeptisch, ob es dauerhaft eine gemeinsame Basis für beide Verbände geben wird. „Man sollte sich da nichts vormachen: Bei den vor uns liegenden berufspolitischen Themen – Digitalisierung, Rechtsrahmen für Legal Tech, Fremdbesitz, Anwaltsmonopol – werden BWD und DAV so unterschiedliche Positionen vertreten, dass ein gemeinsames Lobbying kaum vorstellbar ist“, prophezeit er. An Baustellen herrscht so oder so kein Mangel, denn die Branche steckt mitten in einem tiefgreifenden Strukturwandel. 

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