„Sanierung in der Insolvenz wird Plan B bleiben“

"Am 1. März sind mit dem „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) wichtige Änderungen zur Insolvenzordnung in Kraft getreten. Unternehmen und Gläubiger haben jetzt mehr Möglichkeiten, eine Sanierung in der Insolvenz aktiv zu gestalten. Werner Meier und Christoph Schauenburg von Cleary Gottlieb Steen & Hamilton erläutern im Gespräch mit PLATOW Recht die Neuerungen und deren Bedeutung für die Praxis."

Durch die Änderungen der Insolvenzordnung sollen Unternehmenssanierungen erleichtert werden. Was stand solchen Sanierungen denn bisher entgegen?

Meier: Bisher wurden in Deutschland nur wenige Sanierungen mit Mitteln des Insolvenzrechts erfolgreich durchgeführt. Neben den gravierenden wirtschaftlichen Folgen einer Insolvenz sahen sich die Beteiligten vielfältigen rechtlichen Unsicherheiten und Risiken gegenüber. So konnten z. B. Gesellschafter in vielen Fällen eine Sanierung blockieren, obwohl ihre Anteile letztlich wertlos waren, und Gläubiger hatten zu wenig Einfluss auf den Sanierungsprozess. Hier hat sich das deutsche Insolvenzrecht häufig als ein Standortnachteil gezeigt.

Wie hat der Gesetzgeber diese Punkte jetzt adressiert?

Schauenburg: Mit der Reform will der Gesetzgeber die bestehenden Hindernisse mildern, indem das Insolvenzplanverfahren stärker als bisher an das Chapter-11-Verfahren des US-Konkursrechts angeglichen wird. Außerdem wurde das Instrument der „Eigenverwaltung“, das bisher nur selten erfolgreich zur Unternehmenssanierung genutzt werden konnte, gestärkt. Hier bleibt die Geschäftsleitung grundsätzlich handlungsfähig und führt die Sanierung selbst durch. Hat das Unternehmen den Insolvenzantrag auf Grund drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu Zwecken der Sanierung gestellt und Eigenverwaltung beantragt, muss das Insolvenzgericht künftig für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten einen „Schutzschirm“ gewähren, sofern die Sanierung nicht aussichtslos ist. In dieser Zeit soll das Unternehmen einen Insolvenzplan vorbereiten können, ohne Zwangsvollstreckungen ausgesetzt zu sein. Das ESUG macht es zudem für einzelne Gläubiger schwieriger, die Umsetzung von Insolvenzplänen zu verzögern oder gar zu verhindern.

Welche neuen Möglichkeiten eröffnet das ESUG im Hinblick auf die Gesellschafter?

Meier: Insolvenzpläne können künftig auch in Gesellschafterrechte eingreifen können, indem sie z. B. vorsehen, dass Gesellschaftsanteile auf Gläubiger übertragen oder an Inves-toren ausgegeben werden. Damit wird insbesondere ermöglicht, einen Debt-Equity-Swap gegen den Willen der Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger umzusetzen. Debt-Equity-Swaps, bisher das zentrale Sanierungsinstrument außerhalb der Insolvenz, können damit künftig auch in der Insolvenz erfolgreich umgesetzt werden. Gläubiger, die nach einem Debt-Equity-Swap noch einen Teil ihrer Darlehensforderungen behalten, sollten sich zu Fragen des gesetzlichen Nachrangs von Gesellschafterdarlehen beraten lassen.

Ändert sich etwas bei der Wahl des Insolvenzverwalters?

Schauenburg: Bisher hatten Gläubiger nur wenig Einfluss auf die Auswahl des Insolvenz-verwalters. Die Unsicherheit hinsichtlich Qualifikation und Ko-operationsbereitschaft des künftigen Verwalters galt als wesentliches Hindernis für Sanierungen in der Insolvenz. Dieser Unsicherheit versucht das ESUG zu begegnen, indem die Rechte des vorläufigen Gläubigerausschusses gestärkt werden. Dieser besteht aus Vertretern der Gläubiger, die zwischen Insolvenz-antrag und Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Gang des Verfahrens Einfluss nehmen können.

Meier: Künftig muss das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss einrichten, wenn der Geschäftsumfang des Unternehmens bestimmte Schwellenwerte überschreitet, und es muss grundsätzlich den vorläufigen Gläubigerausschuss anhören, bevor es einen Insolvenzverwalter bestellt. Das Gericht darf einen vom vorläufigen Gläubigerausschuss einstimmig vorgeschlagenen Verwalter nur dann ablehnen, wenn dieser für das Amt ungeeignet ist. Wegen dieser gestärk-ten Position des vorläufigen Gläubigerausschusses sollten Gläubiger frühzeitig Vorkehrungen treffen, um ihre Rechte kurzfristig ausüben zu können. Dazu gehören z. B. Absprachen innerhalb von Gläubigergruppen.

Wird es damit nur noch Sanierungen in der Insolvenz geben?

Meier: Nein, die Sanierung außerhalb der Insolvenz wird zumeist der vorzuziehende Weg bleiben. Nur in Ausnahmefällen, in denen es um eine begrenzte Zahl von Problemen geht, die in der Insolvenz leichter angegangen werden können (z. B. die Beendigung von Mietverträgen, derzeit im Einzelhandel aktuell), oder wenn Minderheitsgläubiger außerhalb der Insolvenz nicht zu erforderlichen Zugeständnissen bereit sind, kann dies anders sein. Die Sanierung in der Insolvenz wird auch künftig zumeist nur als ein Plan B vorzusehen sein, der häufig aber erheblich realistischer sein wird als bisher. Dies kann wiederum als Druckmittel eingesetzt werden und damit die Erfolgschancen einer Sanierung außerhalb der Insolvenz steigern.

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