Erneuter Waschgang für den Grauen Kapitalmarkt

Der Graue Kapitalmarkt stand schon häufig im Fokus des Gesetzgebers. Nun sollen mit dem Kleinanlegerschutzgesetz, das als Referentenentwurf vom 28. Juli 2014 vorliegt, die letzten Rückzugsfelder der Branche erfasst werden. Die Bundesregierung setzt ihr Maßnahmenpaket um, zu dem sie sich durch Verluste von Anlegern im Grauen Kapitalmarkt veranlasst sah. Prominent genannt wird die Prokon-Insolvenz. Dem Windenergie-Unternehmen hatten rund 74 000 Anleger ca. 1,4 Mrd. Euro Genussrechtskapital überlassen. Marc von Ammon, Rechtsanwalt bei Jones Day, resümiert nach einem Jahr Kapitalanlagegesetzbuch.

Mit verschiedenen regulatorischen Reinigungsmitteln war der Gesetzgeber dem Grauen Kapitalmarkt zu Leibe gerückt, den man definieren kann als den Markt der Anbieter, die keiner Erlaubnis der BaFin bedürfen und nur wenige gesetzliche Vorgaben erfüllen müssen. Zu diesen gehört regelmäßig eine Prospektpflicht, der zufolge die jeweiligen Finanzprodukte (Vermögensanlagen) nicht ohne einen Prospekt (öffentlich) angeboten werden dürfen, der zuvor von der BaFin gebilligt wurde. Selbst die Prospektpflicht war erst 2005 eingeführt und 2012 verschärft worden. Im selben Zuge wurden die Vermögensanlagen in den Stand der Finanzinstrumente nach Kreditwesen- und Wertpapierhandelsgesetz erhoben, so dass zumindest deren Vertrieb grundsätzlich erlaubnispflichtig wurde.

Das KAGB doch nur Vorwaschgang?

Der letzte Regulierungssturm, der den Grauen Kapitalmarkt hinwegfegen sollte, brach 2013 mit dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) herein. Entpuppt jener sich nunmehr als laues Lüftchen oder warum sieht sich der Gesetzgeber nur ein Jahr später zum erneuten Tätigwerden veranlasst? Das KAGB erfasst mit dem Begriff des Investmentvermögens grundsätzlich jede Form der kollektiven Kapitalanlage. Ausgenommen bleiben operativ tätige Unternehmen, die sich weiterhin sollen bankenunabhängig refinanzieren können. Davon profitierte bspw. Prokon. Operativ wurden Windkraftanlagen betrieben, u. a. finanziert über Genussrechtskapital der Anleger. Ebenso wenig unter das KAGB fällt die Entgegennahme von Darlehen. Wegen des unbedingten Rückzahlungsanspruchs handelt es sich nicht um eine gemeinschaftliche Kapitalanlage – die Anleger bilden mangels Verlustbeteiligung keine fondstypische Risikogemeinschaft. Der kapitalsuchende Darlehensnehmer würde allerdings das erlaubnispflichtige Einlagengeschäft betreiben, das Kreditinstituten vorbehalten ist. Die Praxis lässt als Schlupfloch die Vereinbarung eines qualifizierten Nachrangs, der dem Rückzahlungsanspruch die Unbedingtheit und damit die Einlagenqualität nimmt, ohne den Anwendungsbereich des KAGB zu eröffnen. Da das Nachrangdarlehen bislang keine Vermögensanlage ist, bietet es noch immer eine Spielwiese für den Grauen Kapitalmarkt, auf welcher es nicht einmal eines Prospekts bedarf.

Das Kleinanlegerschutzgesetz

Hier setzt der Entwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes (KlAnlSchG) an, der Nachrangdarlehen zu Vermögensanlagen macht und einer Prospektpflicht unterwerfen will. Ausnahmen sind für das internetbasierte Crowdinvesting vorgesehen. Der Kanon der Pflichtangaben des Prospekts wird erweitert und seine Gültigkeit auf zwölf Monate begrenzt. Im Rahmen der Nachtragspflicht soll es nicht allein dem Ermessen des Anbieters obliegen zu entscheiden, welcher Umstand derart wichtig ist, dass er eine Nachtragspflicht auslöst. Der Gesetzgeber macht Vorgaben durch Regelbeispiele. Sinnvoll ist sicherlich auch, dass der Anbieter eine konsolidierte Fassung des Prospekts veröffentlichen muss, die sämtliche Nachträge enthält. Prospekte, die durch zahlreiche Anlagen mit Nachträgen überfrachtet und unübersichtlich geworden sind, würden damit der Vergangenheit angehören. Die Laufzeit von Vermögensanlagen soll in Zukunft mindestens 24 Monate mit einer Kündigungsfrist von mindestens zwölf Monaten betragen. Auch dies eine Reaktion auf Prokon, das sich zahlreichen kurzfristigen Rückzahlungsverlangen ausgesetzt sah. Werbung in öffentlichen Räumen, wie im Falle Prokons etwa in U-Bahnen, soll in Zukunft nicht mehr möglich sein; sie wird grundsätzlich in wirtschaftlich orientierte Medien verlagert und muss einen Warnhinweis enthalten. Außerdem soll eine Art ad-hoc Publizität eingeführt werden. Wesentliche Tatsachen die Vermögensanlage oder den Emittenten betreffend, müssen nach Ende der Platzierungsphase fortlaufend offengelegt werden, währenddessen der Anleger bislang nur zum Zeitpunkt seiner Anlageentscheidung durch den Prospekt (aktuell) aufgeklärt wird. Im Vorgriff auf MiFID II müssen bei Konzeption, Angebot und Vertrieb von Finanzinstrumenten der Zielmarkt festgelegt und die Festlegung laufend überprüft werden. Diese „Product Governance“ betrifft alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Die BaFin wird nicht nur mehr Arbeit im Prospektverfahren bekommen, ihr werden erweiterte Eingriffsmöglichkeiten eingeräumt, bis hin zu Vertriebsverboten, über den Grauen Kapitalmarkt hinaus. Sie ist nun auch dem kollektiven Verbraucherschutz verpflichtet. Der Gesetzgeber sollte insoweit klarstellen, ob die generalklauselartige Ermächtigung der BaFin, alle Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, tatsächlich als (bedenklich unbestimmte) Eingriffsnorm zu verstehen ist, oder nur den Rahmen der Kompetenzen der BaFin abstecken soll. Dies ist nicht die einzige Stelle im KlAnlSchG, an der der Gesetzgeber Unschärfen korrigieren und überlegen muss, ob er nicht über das Ziel hinausschießt.

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