Die Erbschaftsteuer auf dem Prüfstand

Am 8.7.2014 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über einen Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofes (BFH) verhandelt und diskutiert, ob das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz verfassungswidrig ist. Das Urteil soll noch im Herbst dieses Jahres ergehen. Der Verlauf der mündlichen Verhandlung lässt vermuten, dass das Gesetz in der gegenwärtigen Fassung keinen Bestand haben wird. Petra Eckl, Partnerin bei GSK Stockmann + Kollegen, erläutert, welche Folgen sich aus dem Karlsruher Urteil für die Praxis ergeben können.

Mit Beschluss vom 27.9.2012 (Az.: II R 9/11) hat der BFH dem BVerfG das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz zur Prüfung vorgelegt. Der BFH geht davon aus, dass das Gesetz auf Grund der Überprivilegierung des Betriebsvermögens im Vergleich zu anderem Vermögen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt und daher verfassungswidrig ist. Unter dem deutschen Erbschaftsteuerrecht kann Betriebsvermögen gegenwärtig weitgehend oder sogar gänzlich steuerfrei verschenkt oder vererbt werden, wenn Voraussetzungen wie zum Beispiel die Aufrechterhaltung der Lohnsumme während eines fünf- oder siebenjährigen Zeitraums erfüllt sind (sog. Regel- oder Optionsverschonung gemäß §§ 13a, 13b ErbStG). Der BFH hat Zweifel, ob diese steuerliche Verschonung durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt ist. Zudem kann zum Teil auch immer noch nicht-betriebsnotwendiges Vermögen durch eine entsprechende steuerliche Gestaltung zu einem sehr großen Teil steuerfrei gestellt werden. Das Urteil des BVerfG wird im Herbst erwartet. Es stellt sich die Frage, welche Folgen sich – auch auf ggf. schon erfolgte Schenkungen – aus einem Richterspruch ergeben können. Keine Änderungen zu erwarten haben auf jeden Fall diejenigen, deren Erbschaft- und Schenkungsteuerfestsetzungen bereits bestandskräftig sind. Ansonsten kommt es darauf an, ob das BVerfG die Normen für nichtig (oder teilnichtig) oder für lediglich unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt.

Nichtigkeits- und Unvereinbarkeitserklärung

Hält das BVerfG das derzeitige Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz für nichtig, wären bereits veranlagte Erbschaft- und Schenkungsfälle, bei denen die Festsetzung bisher nur „vorläufig“ erfolgt ist (vgl. § 165 Abs. 1 Nr. 2 AO), von Amts wegen aufzuheben. Eine erneute Steuerfestsetzung würde allerdings bereits daran scheitern, dass keine gesetzliche Grundlage mehr vorhanden wäre. Bei noch nicht veranlagten oder erst nach dem Urteil vorgenommenen Schenkungen/Erbschaften wäre eine Steuerfestsetzung ebenfalls nicht möglich. Eine rückwirkende Gesetzesänderung würde wahrscheinlich am sog. „Rückwirkungsverbot“ scheitern. Im Ergebnis könnte dann bis zu einer gesetzlichen Neuregelung Vermögen steuerfrei übertragen werden. In Fachkreisen wird es daher für wahrscheinlicher gehalten, dass das BVerfG das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nicht für nichtig, sondern lediglich für „unvereinbar“ mit dem Grundgesetz erklärt und dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist einräumt, innerhalb derer die Erbschaft- und Schenkungsteuer verfassungskonform auszugestalten ist. Das Gesetz wäre dann in seiner gegenwärtigen Fassung bis zu dem vom BVerfG bestimmten Zeitpunkt weiter anwendbar. Vorläufig festgesetzte Bescheide bleiben ebenfalls weiter bestehen. Auch auf Schenkungen und Erbfälle, für die noch keine Steuern festgesetzt wurden oder die erst nach dem Erlass des Urteils vorgenommen werden, würde das bisherige Recht weiterhin Anwendung finden. Eine rückwirkende gesetzliche Neuregelung wäre wohl nicht zulässig.

Teilnichtigkeitserklärung und Verfassungmäßigkeit

Eine weitere fernliegendere Urteilsalternative ist es, dass das BVerfG nur die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen für nichtig erklärt. Die Festsetzungen bereits vorläufig veranlagter Schenkungen oder Erbfälle dürfte auch in diesem Fall nicht geändert werden. Problematisch wäre hier allerdings die Behandlung von bereits vollzogenen, aber noch nicht veranlagten Schenkungen oder Erbschaften. Eine rückwirkende Teilnichtigkeitserklärung der Verschonungsregeln wäre jedoch wahrscheinlich als eine unzulässige sog. „echte“ Rückwirkung einzuordnen, da der Steuerpflichtige auf die Anwendung der Verschonungsregeln vertrauen durfte. Die Folge davon wäre, dass die Verschonungsregelungen weiter anwendbar wären. Die Rechtslage ist insoweit aber unklar. Es werden auch gegenteilige Meinungen vertreten. Auf erst nach dem Urteil vorgenommene Schenkungen/Erbschaften wären die Verschonungsregelungen aber nicht mehr anwendbar.
Zuletzt kann das BVerfG natürlich auch feststellen, dass das Erbschaftsteuerrecht nicht gegen das Grundgesetz verstößt. In diesem Fall würde sich am Status Quo nichts ändern. Auf Grund des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 8.7.2014 ist es allerdings nicht sonderlich wahrscheinlich, dass die Verfassungsrichter keinen Handlungsbedarf sehen.

Fazit

Echte Gefahr droht nur für die Fälle, in denen das BVerfG lediglich die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen für nichtig hält und die jeweilige Schenkung bzw. Erbschaft im Zeitpunkt des Richterspruches noch nicht vollzogen worden ist. Ein zeitliches Vorziehen bereits geplanter Übertragungen von Betriebsvermögen, um noch in den Genuss der Verschonungsregeln zu gelangen, wäre nur dann angezeigt, wenn es zu einer Unvereinbarkeitserklärung käme. In diesem Fall müsste aber ggf. sehr schnell gehandelt werden.

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