„Aufsichtsrat kann die eigene Abberufung blockieren“

"Verstoßen Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft gegen ihre Sorgfaltspflichten, machen sie sich gegenüber der Gesellschaft schadenersatzpflichtig. Der Vorstand muss daher Ersatzansprüche prüfen und durchsetzbare Ansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder geltend machen, notfalls im Klageweg. Häufig wird schon die Verfolgung von Ersatzansprüchen zu deren Amtsniederlegung führen. Wie jedoch mit uneinsichtigen Aufsichtsräten umzugehen ist, erläutern Alexander J. Thum und Daniel Klofat, Rechtsanwälte bei Beiten Burkhardt."

Der Aufsichtsrat (AR) hat die Möglichkeit, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die gerichtliche Abberufung eines seiner Mitglieder zu beantragen. Allerdings besteht nicht selten eine Verantwortlichkeit aller AR-Mitglieder, z. B. bei pflichtwidriger Zustimmung zu einer für die Gesellschaft nachteiligen Transaktion. Zeigen sich die AR-Mitglieder in diesem Fall uneinsichtig und legen ihr Amt nicht freiwillig nieder, wird der AR auch keinen Antrag auf seine eigene gerichtliche Abberufung stellen.

In diesem Fall kann nur die Hauptversammlung über die Abberufung der von ihr gewählten Aktionärsvertreter beschließen. Ein wichtiger Grund hierzu ist nicht nötig. Allerdings ist in der Regel eine außerordentliche Hauptversammlung erforderlich. In der Bekanntmachung der Tageordnung müssen der Vorstand und der AR Beschlussvorschläge auch zum Tagesordnungspunkt „Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder“ machen. Andernfalls darf keine Beschlussfassung erfolgen und ein gleichwohl gefasster Beschluss wäre anfechtbar. Dies gilt aber dann nicht, wenn die Beschlussfassung auf Verlangen einer Aktionärsminderheit von 5% oder 500 000 Euro des Grundkapitals auf die Tagesordnung gesetzt oder die Hauptversammlung auf Verlangen einer Minderheit einberufen wird. Dann sind Beschlussvorschläge der Verwaltung entbehrlich, womit das aufgezeigte Anfechtungsrisiko entfällt.

Blockademöglichkeit

Beruft somit der Vorstand eine Hauptversammlung zur Abberufung der AR-Mitglieder ein, hat der AR faktisch eine Blockademöglichkeit gegen seine Abberufung. Denn macht der AR keinen Beschlussvorschlag, ist der Abberufungsbeschluss anfechtbar. Dadurch wird eine wirksame Abberufung vorerst verhindert: Weil die Abberufung erst mit Bestandskraft des Abberufungsbeschlusses wirksam wird, bleiben die AR-Mitglieder zunächst im Amt.

Infolge der Unwirksamkeit der Abberufung sind außerdem etwaige Neuwahlen – wenn sie nicht durch das Wirksamwerden der Abberufung der bisherigen AR-Mitglieder aufschiebend bedingt sind – wegen Überschreitens der gesetzmäßigen Höchstzahl an AR-Mitgliedern nichtig. Zu Recht wird daher teilweise gefordert, aus Gründen der Rechtssicherheit müsse ein (wenn auch anfechtbarer) Abberufungsbeschluss der Hauptversammlung für eine wirksame Abberufung genügen. Doch ergeben sich erhebliche Folgeprobleme, wenn der Abberufungsbeschluss wegen einer erfolgreichen Anfechtung für nichtig erklärt wird. Insbesondere sind zwischenzeitlich gefasste AR-Beschlüsse regelmäßig nichtig, weil die unwirksam abberufenen Mitglieder nicht zu AR-Sitzungen eingeladen wurden oder sich Stimmen der nicht wirksam neu bestellten AR-Mitglieder auf Beschlussergebnisse ausgewirkt haben.

Aktionärsquorum

Nach geltendem Recht hat der Vorstand nur zwei Optionen: Entweder er verlässt sich bei der Einberufung der Hauptversammlung auf die Mitwirkung des AR oder er geht den Umweg über das Aktionärsverlangen. Letzteres wirft aber die Frage auf, inwieweit es dem Vorstand überhaupt möglich ist, im Vorfeld einer solchen Antragstellung durch ein Aktionärsquorum mit den Aktionären Informationen auszutauschen. Einer direkten Ansprache einzelner Aktionäre steht die Vertraulichkeitspflicht des Vorstandes entgegen.

Insoweit bieten sich Pressemitteilungen oder – soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen – Ad-hoc-Meldungen der Gesellschaft an, z. B. zum Ergebnis einer Compliance-Prüfung oder zum Vorstandsbeschluss über die Geltendmachung der Ersatzansprüche. Allerdings kann dadurch nicht sichergestellt werden, dass tatsächlich eine Aktionärsminderheit ein Abberufungsverlangen an die Gesellschaft heranträgt.

Wünschenswerte Lösung

Ungleich einfacher wäre es, vom Beschlussvorschlag des AR abzusehen. Der nach geltendem Recht und bisheriger Rechtsprechung geforderte Beschlussvorschlag des AR bringt keinen besonderen Mehrwert: Wäre der AR mit seiner Abberufung einverstanden, könnten seine Mitglieder ihre Ämter einfach niederlegen oder eine gerichtliche Abberufung herbeiführen. Bereits durch das Ansetzen des Tagesordnungspunktes „Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder“ durch den Vorstand und das Fehlen eines Beschlussvorschlags des AR ergibt sich, dass dieser mit seiner Abberufung nicht einverstanden ist. Eines gesonderten Beschlussvorschlags bedarf es daher nicht. Hierfür sind aber zunächst der Gesetzgeber und die Gerichte gefordert. Vorerst bleibt dem Vorstand der Aktiengesellschaft nur die Wahl, sich im Vorfeld des Abberufungsbeschlusses der Hauptversammlung auf die Mitwirkung der AR-Mitglieder zu verlassen oder aber den nicht immer befriedigenden Umweg über das Aktionärsquorum zu gehen.

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